Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharpes Weihnacht

Sharpes Weihnacht

Titel: Sharpes Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
 

    Die beiden Soldaten kauerten am Rand des Feldes. Einer von ihnen, ein dunkelhaariger Mann mit vernarbtem Gesicht und harten Augen, spannte den Hahn seines Gewehrs und zielte, doch nach ein paar Sekunden senkte er die Waffe wieder. »Zu weit weg«, sagte er leise.
    Der zweite Mann war sogar noch größer als der erste, und wie sein Gefährte so trug auch er die ausgeblichene grüne Jacke der 95th Rifles, doch anstatt mit einem Baker-Gewehr war er mit einem Salvengewehr ausgerüstet, einer seltsamen Konstruktion mit sieben Läufen, die über ein einziges Steinschloss abgefeuert wurden. Es war eine mörderische Waffe mit einem Rückstoß wie der Tritt eines Mulis, aber der Mann sah stark genug aus, um ihn auszuhalten. »Nicht gut«, flüsterte er und packte die riesige Waffe. »Das Ding funktioniert nur aus der Nähe.«
    »Aber gehen wir zu nah ran, dann laufen sie weg«, bemerkte der erste Mann.
    »Wohin denn?«, erwiderte der zweite Mann. Sein Akzent verriet, dass er aus Ulster stammte. »Das ist eine eingezäunte Weide. Die können nicht wegrennen.«
    »Dann sollen wir also einfach hingehen und ihn erschießen?«
    »Sicher. Es sei denn, Sie wollen ihn erwürgen, Sir. Erschießen geht aber schneller.«
    Major Richard Sharpe löste den Hahn wieder. »Dann komm«, sagte er, und die beiden Männer standen auf und näherten sich vorsichtig den drei Ochsen. »Glaubst du, sie greifen an, Pat?«, fragte Sharpe.
    »Die sind kastriert, Sir«, erklärte Sergeant Major Patrick Harper. »Die haben ungefähr so viel Feuer wie drei blinde Mäuse.«
    »Also, für mich sehen sie gefährlich aus«, sagte Sharpe. »Immerhin haben sie ihre Hörner noch.«
    »Der Rest der Ausrüstung fehlt ihnen aber, Sir«, sagte Harper. »Die singen nur noch im Damenchor, wenn Sie wissen, was ich meine.« Er deutete auf einen der Ochsen. »Der hat richtig schön viel Fett auf den Knochen, Sir. Ich rieche den saftigen Braten förmlich schon.«
    Ahnungslos, welches Schicksal ihn erwartete, beobachtete der Ochse die beiden Männer. »Ich kann ihn doch nicht einfach erschießen!«, protestierte Sharpe.
    »Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie in Portugal doch jede Menge Ziegen mit dem Bajonett abgestochen, Sir«, entgegnete Harper und dachte an die Zeit zurück, als sie das Land geplündert hatten, damit den vorrückenden Franzosen nichts in die Hände fiel, was sie irgendwie hätten gebrauchen können. »Was ist hier anders?«
    »Ich hasse Ziegen.«
    »Aber es geht doch um unser Weihnachtsessen, Sir«, ermutigte Harper seinen befehlshabenden Offizier. »Echtes Roastbeef, Sir, Plumpudding und Wein. Die Pflaumen und den Wein haben wir, fehlen nur Fleisch und Fett.«
    »Wo willst du denn das Fett hernehmen?«
    »Von dem Ochsen natürlich«, erklärte Harper im verächtlichen Tonfall eines Burschen vom Land, der einem Stadtmenschen etwas erklären muss. »Es ist weiß und schmeckt, Sir, gutes Nierenfett, jawohl, aber Sie sollten das arme Tier erst erschießen. Das wäre humaner.«
    Sharpe ging näher an das Tier heran. Es hatte große braune, traurige Augen und beobachtete Sharpe mit sanftem Fatalismus. Sharpe spannte den Hahn, und der Ochse blinzelte ob des seltsamen Geräuschs. Sharpe hob die Waffe – und senkte sie dann wieder. »Ich kann das nicht, Pat.«
    »Nur ein Schuss, Sir. Stellen Sie sich einfach vor, das sei ein Froschfresser.«
    Sharpe hob das Gewehr, spannte den Hahn und zielte genau zwischen die Augen des Ochsen. Das Tier schaute ihn weiter an. »Mach du das«, sagte Sharpe zu Harper und senkte die Waffe.
    »Womit denn?« Harper hielt sein Salvengewehr in die Höhe. »Damit reiße ich ihm den Kopf ab.«
    »Den Kopf brauchen wir doch nicht, oder?«, erwiderte Sharpe. »Nur den Rumpf und das Fett. Also los. Tu ’s.«
    »Ein Salvengewehr ist aber nicht sehr genau, o nein, Sir. Für Froschfresser ist es großartig, aber nicht zum Schlachten von Vieh. Und ich mag Hirn, ja, das tue ich. Meine Ma hat es immer in Butter gebraten, und das hat wunderbar geschmeckt. Ich will das Hirn nicht über halb Spanien verteilen. Ihr Gewehr ist besser.«
    »Dann nimm eben das Gewehr«, sagte Sharpe und bot Harper seine Waffe an.
    Kurz starrte Harper das Gewehr an, nahm es aber nicht. »Sir, das Problem ist«, sagte der riesige Ire, »dass ich letzte Nacht ein paar Tropfen zu viel getrunken habe. Meine Hände zittern, sehen Sie? Es ist besser, wenn Sie das erledigen, Sir.«
    Sharpe zögerte. Die Leichte Kompanie freute sich schon auf das Weihnachtsessen:

Weitere Kostenlose Bücher