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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coelho
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Stadt zurückkehren und dort den Widerstand organisieren. Die Truppe, die jetzt im Feld stand, sollte so viele Feinde wie möglich töten und sich dann in die Berge zurückziehen. Sie kannten das Tal so gut wie niemand sonst und konnten die Assyrer immer wieder aus dem Hinterhalt angreifen und so den Druck der Belagerung mildern.
    Bald schon würde Hilfe kommen, und das assyrische Heer würde vernichtet werden. »Wir können siebzig Tage standhalten, doch so weit wird es nicht kommen«, sagte der Stadthauptmann zu Elia.
    »Doch viele werden sterben.«
    »Wir stehen alle im Angesicht des Todes. Und niemand hat Angst, auch ich nicht.«
    Der Stadthauptmann konnte seinen eigenen Mut nicht fassen. Er war nie in einer Schlacht gewesen, und je näher der Kampf rückte, desto öfter trug er sich mit dem Gedanken, aus der Stadt zu fliehen. An jenem Morgen hatte er mit seinen Getreuen den Rückzug geplant. Nach Tyrus oder Sidon konnte er nicht, weil er sonst als Verräter dastand, doch Isebel würde ihn aufnehmen, da sie vertrauenswürdige Männer an ihrer Seite brauchte.
    Dennoch, als er das Schlachtfeld betrat, sah er in den Augen der Soldaten eine unendliche Freude - als hätten sie das ganze Leben lang nur für diese Stunde trainiert.
    »Die Angst besteht bis zu dem Augenblick, in dem das Unabwendbare geschieht«, sagte er zu Elia. »Danach gilt es nur noch, die Kräfte beisammenzuhalten.«
    Elia war verwirrt. Er fühlte dasselbe, wenn er sich auch dafür schämte; er mußte an den Jungen denken, wie fasziniert er die Truppe angesehen hatte.
    »Geht«, sagte der Stadthauptmann. »Ihr seid ein wehrloser Fremder und braucht nicht für etwas zu kämpfen, woran Ihr nicht glaubt.«
    Elia rührte sich nicht.
    »Sie werden kommen«, sagte der Kommandant. »Ihr mögt überrascht sein, doch wir sind vorbereitet.«
    Elia rührte sich nicht von der Stelle.
    Sie blickten zum Horizont. Nicht der kleinste Staubwirbel, das assyrische Heer verharrte unbeweglich.
    Die Soldaten in der ersten Reihe hielten ihre Lanzen fest in der Hand. Die Bogenschützen hatten die Sehnen halb gespannt, um die Pfeile sofort abzuschießen, wenn der Kommandant den Befehl dazu gab. Einige der Männer hieben mit dem Schwert in die Luft, um die Muskeln warm zu halten.
    »Sie werden kommen«, wiederholte der Kommandant euphorisch. »Alles ist bereit.«
    Brannte er denn so darauf, daß die Schlacht begann und er kämpfen und seine Tapferkeit beweisen konnte? Sah er im Geiste schon die assyrischen Soldaten, die Schreie und das Durcheinander, und sich selber als mustergültigen Führer und mutigen Helden, den die phönizischen Priester späteren Generationen als Vorbild preisen würden?
    »Sie rühren sich nicht«, sagte der Stadthauptmann.
    Und Elia erinnerte sich, wie er den Herrn gebeten hatte, er möge die Sonne am Himmel stillstehen lassen, wie einstmals für Josua. Er versuchte, mit seinem Engel zu reden, doch er hörte seine Stimme nicht.
    Allmählich senkten die Lanzenträger ihre Lanzen, die Bogenschützen lockerten die Spannung ihres Bogens, die Schwertkämpfer steckten ihre Schwerter in die Scheide zurück. Die Sonne brannte im Mittag, und einige Krieger wurden wegen der Hitze ohnmächtig. Dennoch blieb das Bataillon bis zum Ende des Nachmittags in Bereitschaft.
    Als sich die Sonne verbarg, kehrten die Krieger nach Akbar zurück. Sie schienen enttäuscht, den Tag überlebt zu haben.
    Nur Elia blieb im Tal zurück. Er wanderte eine Zeitlang ziellos umher, bis er das Licht sah. Der Engel des Herrn trat zu ihm.
    »Gott hat dein Gebet erhört«, sagte der Engel. »Und er hat deine Seelenqual gesehen.«
    Elia wandte sich zum Himmel und dankte für den Segen.
    »Der Herr ist die Quelle der Herrlichkeit und der Macht. Er hat das assyrische Heer zurückgehalten.«
    »Nein«, entgegnete der Engel. »Du hast gesagt, Er müsse die Wahl selbst treffen. Und Er hat die Wahl für dich getroffen.«
    »Laß uns fortgehen«, sagte Elia zur Frau und ihrem Sohn.
    »Ich will nicht fort«, antwortete der Junge. »Ich bin stolz auf die Soldaten von Akbar.«
    Die Mutter zwang ihn, seine Habseligkeiten zusammenzupacken. »Nimm nur mit, was du tragen kannst«, sagte sie.
    »Du vergißt, daß wir arm sind und ich nur wenig besitze.«
    Elia ging hinauf in sein Zimmer. Er blickte um sich, als würde er es nie mehr sehen.
    »Danke, daß du mich mitnimmst«, sagte sie. »Bei meiner Heirat war ich gerade fünfzehn Jahre alt und wußte nichts vom Leben. Unsere Familien hatten alles für

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