Der fünfte Mörder
Leiche, die dort schon seit Jahrzehnten gelegen haben musste. Wir vermuteten in dem Toten einen in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg verschwundenen Bauern aus Bad König, konnten jedoch nichts beweisen.
Was meine Leute bei ihrer Suche jedoch nicht fanden, war etwas, das als Versteck für Schivkovs Beute getaugt hätte. Nirgendwo war kürzlich gegraben worden, in keinem hohlen Baum war etwas Interessantes zu entdecken, in keiner Erdhöhle fanden sich auÃer leeren Getränkedosen und gebrauchten Präservativen Dinge, die von Natur aus dort nicht hingehörten.
Runkel hatte vermutlich recht: Die Bulgaren mussten ihre Beute in den Subaru umgeladen und weitertransportiert haben. Der Subaru aber war und blieb verschwunden. Das Fahrzeug war unsere letzte Spur und im Ãbrigen eine kleine Schwachstelle in Schivkovs ansonsten so perfektem Plan. Aber auch hier stieÃen unsere Ermittlungen letztlich ins Leere. Klara Vangelis, die ich nur noch im Innendienst einsetzte, verbrachte eine Woche damit, deutschlandweit alle Besitzerwechsel von Fahrzeugen dieses Typs zu überprüfen. Alle infrage kommenden Wagen standen in den Garagen oder vor den Häusern, wo sie von Rechts wegen hingehörten. Keiner war als gestohlen gemeldet, keiner der Halter reagierte auf ihre telefonische Nachfrage übermäÃig irritiert oder auffallend gelassen. Einzelne Fälle, die Vangelis trotz allem verdächtig vorkamen, lieà sie diskret von den örtlichen Kollegen überprüfen. Das Ergebnis war in jedem Fall gleich null.
Schon wenige Wochen nach der SchieÃerei in Viernheim schien ich der Einzige zu sein, dem die Sache nicht aus dem Kopf ging. Vielleicht, weil ich die Explosion des Cayenne so hautnah miterlebt hatte. Vielleicht, weil mich ungelöste Rätsel immer schon nervös gemacht haben.
Meine Schachabende mit Lorenzo wiederholten sich, und es kam sogar vor, dass ich gewann oder meinem Freund und Meisterkoch wenigstens ein Remis abrang. Er hatte mir schwören müssen, dass die Zutaten seiner göttlichen Gerichte künftig ausschlieÃlich aus legalen Quellen stammen würden. Zumindest, wenn ich davon essen sollte. Beim Wein dagegen war Lorenzo stur geblieben. Das fand ich eine lässliche Sünde, da sein Chardonnay einfach zu gut schmeckte, um schlecht von ihm zu denken.
Mit Theresa war ich glücklicher denn je in dieser Zeit. Nein, eigentlich war ich zum ersten Mal wirklich glücklich mit ihr. Alles war leichter mit einem Mal, unbeschwerter. Wie früher trafen wir uns dienstags und freitags. Wie früher tranken wir Sekt und sprachen über Gott und die Welt und die Liebe.
An einem Dienstag im Juni erschien Rolf Runkel bei mir. Schon die Art, wie er durch die Tür schlich, lieà mich ahnen, dass er wieder einmal Mist gebaut hatte.
»Chef«, begann er kleinlaut, »mir ist da was durchgerutscht. Nämlich diese Leichensache von den Darmstädtern.«
Ich entspannte mich. »Das hat sich wahrscheinlich längst selbst erledigt.«
»Hat es nicht. Ich hab vorhin mit der Kollegin telefoniert. Sie wissen immer noch nicht, wer der Mann aus dem Rhein ist.«
»Und was schlagen Sie vor?«
Er zuckte die Schultern. Setzte sich umständlich.
»Gleich, wie Sie mir die Mail geschickt haben, bin ich unsere Vermisstenmeldungen durchgegangen. Hab aber nichts gefunden. Und dann hab ichâs irgendwie vergessen. Weil doch so viel los gewesen ist, und dann ist es unter den Haufen geraten und liegen geblieben.«
Er knetete ein paar Papiere in seinen feuchten Händen.
»Zeigen Sie mal her«, sagte ich groÃmütig. »Mehr, als Sie getan haben, hätte ich an Ihrer Stelle auch nicht unternommen. Sie hätten nur vielleicht den Darmstädtern einen kleinen Bericht schicken sollen.«
Bei seinen Papieren handelte es sich um die Mail selbst sowie Computerausdrucke aus dem Anhang. Unappetitliche Fotos, wie Gerichtsmediziner sie machen. Details der Leiche, die eventuell bei der Identifizierung helfen konnten. Ich blätterte die Bilder flüchtig durch. Eine etwa zwanzig Zentimeter lange Narbe am rechten Unterschenkel des Toten zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
Und dieses Mal war ich es, der sagte: »Den kenne ich.«
Eine Stunde später saÃen wir zu viert zusammen und zermarterten uns wieder einmal die Köpfe.
»Spinne ich jetzt, oder was?« Balke starrte mich wütend an. »Wieso denn jetzt Prembeck? Den hatten
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