Der fünfte Mörder
drauÃen das letzte Sonnenlicht verdämmerte und die StraÃenbeleuchtung aufflackerte, lauschten der Musik und hielten uns, als könnten wir jede Sekunde und diesmal für immer auseinandergerissen werden.
»Champagner?«, fragte ich irgendwann.
»Bitte, ja.« Sie tupfte sich verstohlen die Augenwinkel. »Das würde jetzt passen, finde ich.«
Ich öffnete die eiskalte Flasche, füllte die schönen alten Kelchgläser aus Theresas Beständen, wir stieÃen an.
»Alles wieder gut?«, fragte ich nach dem ersten Schluck und küsste ihre vollen, vom Trinken kalten Lippen. »Alles wieder wie früher?«
»Das werden wir sehen.« Theresa stellte ihr Glas ab und zog mich zu der Matratze, die das Bett ersetzte, weil wir immer noch keine Gelegenheit gefunden hatten, eines zu kaufen. Vielleicht war heute der Anlass, diesem Umstand endlich abzuhelfen?
Augenblicke später dachte ich nichts mehr. Nicht an Möbel, nicht an Champagner, nicht an meinen Chef und seine geheime Leidenschaft, nicht an Schivkov und seine Millionenbeute, nicht an Elisaveta Lebedeva oder russische Uranzentrifugen. Wir wälzten uns auf der Matratze und versuchten, uns irgendwie gegenseitig die Kleidung vom Leib zu reiÃen.
»Stimmt«, stellte Theresa einige Zeit später befriedigt fest. »Es hat sich nichts verändert zwischen uns.«
Sie fand das Feuerzeug in ihrer Handtasche, die unvermeidliche Zigarette danach glimmte auf, wir tranken Champagner, lauschten dem Saxophon und den Geräuschen von der StraÃe. Wir hatten es nicht einmal geschafft, uns anständig zu entkleiden. Ich war noch in Hemd und Socken, Theresa trug noch ihre heute nachtblaue und jetzt ziemlich derangierte Unterwäsche aus Spitze und Seide. Wir hatten miteinander geschlafen, als würde die Welt gleich untergehen. Danach lagen wir Arm in Arm da, sahen zur Decke, an der das Licht der StraÃenlaterne schräge Vierecke bildete. Theresa rauchte. Hin und wieder lachten wir leise glucksend, ohne zu wissen, weshalb. Die Welt ging nicht unter. Ganz im Gegenteil, sie war wunderschön.
Der Saxofonist gab eine Zugabe nach der anderen.
Ich fühlte mich vollkommen.
Später schliefen wir ein zweites Mal miteinander, nicht, ohne uns vorher vollständig auszuziehen. Dieses Mal dauerte es lange, und wir waren sehr, sehr zärtlich. Doch, stellte ich dabei fest, es hatte sich doch etwas geändert: Der Druck fehlte, den ich erst jetzt fühlte, wo er verschwunden war.
Wir waren frei.
Wir waren keine Diebe der Liebe mehr.
Wir hatten alles Recht der Welt, hier zusammen zu sein, überall zusammen zu sein, uns zu lieben, mit unseren Körpern und mit den Herzen. Was vielleicht dasselbe war.
»Warum haben wir es uns eigentlich so schwer gemacht?«, seufzte meine Liebste später und legte ihren schweren Kopf mit den hellen, weichen Locken auf meine Brust.
»Weil wir blöd waren«, vermutete ich nach längerem Nachdenken.
Sie widersprach nicht.
Ich genoss das Zusammenliegen, die perfekte Ruhe. Dieses nichts wollen, nichts wünschen und nichts fürchten als den Moment, wenn es zu Ende sein würde. Wenn wir wieder auseinandergehen mussten. Denn noch immer war Theresa Liebekinds Frau, und so würde es auch bleiben.
Irgendwann, längst war es Nacht geworden, die Geräusche der StraÃe hatten sich verändert, aber wir hatten kein Licht gemacht, irgendwann kam unser wortkarges Gespräch auf die Russen und die Bulgaren, das Bella Napoli und schlieÃlich auf die jungen Frauen, die längst wieder in ihrer Heimat waren und dort vermutlich ihrem prächtigen Einkommen in Heidelberg nachtrauerten.
»Prostitution ist etwas so Abscheuliches«, sagte Theresa, während sie meine Brust streichelte. »Es hat so gar nichts mit dem zu tun, was Sex wirklich ist. Ich kann Männer nicht begreifen, die Liebe kaufen. Warum stellt ihr das nicht ab?«
»Was ist das für dich, Prostitution?«, fragte ich zurück.
Verblüfft sah sie mich an. »Was ist das für eine merkwürdige Frage?«
»Was ist Prostitution in deinen Augen?«
»Wenn Frauen Geld dafür nehmen, dass sie mit Männern schlafen. Oder ihnen auf andere Weise sexuell zu Diensten sind.«
»Wie ist es, wenn sie statt Geld Schmuck nehmen? Oder ein Auto? Eine kleine Wohnung, in der sie umsonst wohnen dürfen?«
»Ich verstehe â¦Â« Theresa setzte sich auf, zog die Beine
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