Der Fürst der Dunkelheit
besten. Sie hatte nicht einfach ein zweidimensionales Bild hingeworfen, sondern ihm große Tiefe verliehen. Sie hatte die seltsame und fesselnde Schönheit getroffen, die Susan an sich hatte. Sie hatte die Atmosphäre des Square eingefangen. Beinahe konnte man die Musik um sie herum hören, wenn man sich die Zeichnung ansah.
Aber trotzdem …
Deanna hatte recht. Irgendwie hatte sie die Tarotkarte bis ins kleinste Detail wiedergegeben, sodass sie unweigerlich den Blick des Betrachters auf sich zog und so zum Mittelpunkt des ganzen Bildes wurde.
“Zeichne mich bloß nicht”, flüsterte Deanna ihr zu.
“Schon gut”, versicherte Lauren ihr ruhig.
Susan beobachtete die beiden. Deanna bemerkte es und lächelte reumütig. “Lauren ist auch mal verlobt gewesen.”
“Und der junge Mann ist gestorben”, sagte Susan.
Das ist aber verdammt gut geraten, dachte Lauren nervös. Obwohl, es gab ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatten sie sich getrennt, oder er war gestorben. Ihr war bewusst, dass sie nur eine von vielen jungen Frauen dieser Zeit war, denen es so erging. Sie hatte sich in einen Soldaten verliebt. Er war in den Krieg gezogen. Ein halbes Jahr lang hatten sie E-Mails ausgetauscht, und dann hatte sie keine Antworten mehr bekommen.
Bis der Lieutenant von der Army bei ihr zu Hause vor der Tür stand.
Sie hatte alles durchgemacht. Die Verzweiflung, die Wut. Und dann waren die Wunden geheilt. Sie glaubte nicht, dass sie irgendwelche fürchterlichen Folgeschäden davongetragen hatte. Sie war nur nicht aktiv darauf aus, sich noch einmal zu verlieben. Aber wenn der richtige Mann auftauchte …
Wäre sie bereit?
Sie wusste es nicht.
“Es tut mir so leid”, sagte Susan ernst zu Lauren. Sie meinte es offenkundig ganz aufrichtig, wodurch Lauren sich auf einmal verschwommen schuldig fühlte, obwohl ihr nicht klar war, wieso.
“Vielen Dank.” Sie versuchte das unbehagliche Gefühl zu verdrängen. “Aber na ja, das ist die Vergangenheit, und wir wollen in die Zukunft sehen, oder nicht? Was lesen Sie denn in Deannas Hand, Susan?”
Susan musterte Deannas Handfläche und sah mit ernstem Gesichtsausdruck wieder auf.
“Was denn?”, wollte Deanna ungeduldig wissen.
“Also, bis jetzt verrät sie mir, dass Sie überhaupt nicht gern Hausarbeit machen”, sagte Susan.
Sogar Deanna musste lachen. “Okay, da bin ich ein Versager. Im Ernst, darin bin ich gar nicht gut, also lass ich es einfach gleich bleiben.”
“Keine Sorge, zweimal die Woche kommt eine wunderbare Frau zu ihr und erledigt das für sie”, versicherte Heidi Susan.
Susan fuhr mit der Fingerspitze eine Linie in Deannas Handfläche entlang.
“Das ist die Lebenslinie, stimmt’s?”, fragte Heidi.
Susan zuckte die Achseln.
“Sieht nicht besonders lang aus”, meinte Deanna besorgt.
Susan sah Deanna an und schüttelte den Kopf. “Oft bedeutet das alles nur, was wir daraus machen. Die Linie, es ist wie bei der Karte. Es muss überhaupt nichts Schlimmes heißen. Es weist auf Veränderung hin. Eine Veränderung im Leben. So wie Heidi heiraten wird.”
“Ich hab nicht mal einen festen Freund”, sagte Deanna.
“Sie sind eine schöne Frau.” Susan wich aus.
“Was sehen Sie sonst noch?”
Susan zeigte auf etwas. “Hier, künstlerischer Erfolg. Sie sind klug und zielstrebig.” Susan sah auf und blickte Deanna fest in die Augen. “Wenn Sie sich zu etwas entschlossen haben, dann können Sie es auch erreichen. Wenn wir etwas nicht schaffen, liegt das viel zu oft nur daran, dass wir Angst haben. Denken Sie immer daran, Sie haben das Talent und den Willen. Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen widrigen Umständen abschrecken, auch wenn sie Ihnen zunächst unüberwindlich vorkommen. Sie haben sehr viel Kraft. Und es wird bald Veränderungen geben.”
“Werde ich jemals heiraten?”, fragte Deanna.
Susan hob die Schultern. “Das verrät mir Ihre Handfläche nicht. Ich kann aber sagen, dass Sie auf jeden Fall leidenschaftlich sind, sich verschenken können und sehr wohl in der Lage sind, um sich herum das Feuer, die Leidenschaft und die Liebe zu erwecken.”
“Das gefällt mir”, meinte Deanna.
Lauren betrachtete sie und versuchte Susans Blick auszuweichen. So was hätte dir jeder erzählen können, stand in ihren starren Augen.
“Du bist dran”, sagte Deanna.
“Ah ja, die Kristallkugel für unsere hochbegabte junge Künstlerin”, murmelte Susan. Allerdings rührte sie sich nicht, und ihr Blick war nach unten
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