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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Alice im Wunderland«, usw. usw. bis ins Endlose). Vergeblich suchte ich ihn abzuwimmeln, da ich keinen Finger mehr rühren konnte. In Anbetracht dessen müsse ich ihn wenigstens mit Füßen treten, schrie er schluchzend. Was hätte ich tun sollen? Ich ließ mich nochmals erweichen. Nach all diesen Erlebnissen war ich körperlich so erschöpft, daß ich mit Müh und Not die Brandschutzräume erreichte. Zum Glück fand ich dort noch einige unangetastete Sauerstoffflaschen. Auf einem zusammengerollten Feuerwehrschlauch saß Professor Trottelreiner, vertieft in die Lektüre futurologischer Referate und hoch erfreut, weil er in seiner Laufbahn eines hauptberuflichen Kongreßbesuchers endlich ein wenig Zeit erübrigen konnte. Die Bemben-Angriffe waren einstweilen in vollem Gange. Zur Behandlung schwerer Fälle von Liebesschock (etwa beim Anfall allgemeinen Wohlwollens, der mit gräßlichen Zärtlichkeitszuckungen einhergeht) empfahl Professor Trottelreiner Breiumschläge und große Portionen Rizinusöl mit anschließender Magenspülung.
    Im Pressezentrum saßen Stantor, Wooley vom »Herald«, Sharkey und ein damals für »Paris Match« tätiger Bildreporter namens Küntze. Sie hatten die Masken aufgesetzt und spielten Karten, denn ohne Fernverbindung blieb nichts Besseres zu tun. Als ich eben zu kiebitzen anfing, erschien eilends der Doyen des amerikanischen Journalismus, Joe Missinger. Er rief uns zu, an die Polizei seien Furiasol-Pastillen verteilt worden, die den Benignatoren entgegenwirken sollten. Das brauchte man uns nicht zweimal zu sagen; wir rannten in die Keller, doch bald erwies sich das Gerücht als falsch. Wir gingen also vors Hotel. Wehmütig stellte ich fest, daß ihm oben einige Dutzend Stockwerke fehlten. Eine Schuttlawine hatte mein Appartement samt all seinem Inhalt hinweggerafft. Drei Viertel des Himmels waren vom Feuerschein erfaßt. Ein breitschultriger Polizist mit Helm jagte einem Halbwüchsigen nach und schrie: »Halt! Herrgottnochmal, halt! Versteh doch, ich liebe dich!« Aber der Junge blieb taub für alles Zureden. Der Kampflärm war aufgeflaut, und berufliche Wißbegier juckte die Journalisten. Wir bewegten uns also vorsichtig auf den Park zu. Unter starker Beteiligung der Geheimpolizei wurden dort Messen zelebriert: schwarze, weiße, rosarote und gemischte. In der Nähe stand eine ungeheure Menschenmenge, heulte wie eine Schar von Schloßhunden und hielt hoch über die Köpfe eine Tafel mit der riesigen Aufschrift: »Schmäht uns! Wir sind Lockspitzel!« Nach der Unzahl dieser bekehrten Judasse zu schließen, müssen die Staatsausgaben für deren Planstellen beträchtlich gewesen sein und sich auf Costricana wirtschaftliche Lage ungünstig ausgewirkt haben. Als wir zum Hilton zurückkehrten, erblickten wir davor einen anderen Massenauflauf; die Schäferhunde der Polizei hatten sich gleichsam in Bernhardiner verwandelt; sie holten aus dem Hotelbuffet die teuersten Alkoholika und labten damit jedermann ohne Unterschied. Im Büffet selbst aber sang eine buntgemischte Schar von Polizisten und Gegenbeweglern bald umstürzlerische Lieder und bald staatsträgerische. Ich schaute in den Keller, doch dort sah ich nichts als Bekehrungs-, Verzärtelungs-, Zerknirschungs- und Verzückungsszenen. Angewidert suchte ich die Brandschutzräume auf; ich wußte ja, daß dort Professor Trottelreiner saß. Zu meiner Verwunderung hatte auch er sich drei Bridgepartner gesucht. Dozent Quetzalcoatl spielte das Trumpf-As aus; dies erzürnte Trottelreiner so sehr, daß er die Tischrunde verließ. Mit den anderen suchte ich ihn zu beschwichtigen; da guckte Sharkey zur Tür herein, um uns mitzuteilen, daß er mit seinem Transistorradio eine Ansprache General Aquillos aufgeschnappt habe. Dieser hatte konventionelle Bombenangriffe angekündigt, die den Aufruhr in der Stadt blutig ersticken sollten. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, ins allerunterste Stockwerk des Hilton auszuweichen, noch unter die Luftschutzkeller, und zwar in die Kanalisationsanlagen. Da die Hotelküche in Trümmer gesunken war, gab es nichts zu essen; die ausgehungerten Gegenbewegler, Streichholzschachtelsammler und Verleger verschlangen potenzsteigernde Futtermittel, Schokoladepastillen und Gelees, die sie im verödeten Centro Erotico im Eckbau eines Hoteltraktes gefunden hatten. Ich sah die Gesichter alle Farben spielen, als sich die aufgeilenden Liebstöckel und Aphrodisiaca in den Adern mit den Benignatoren vermischten. Wohin führte wohl diese

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