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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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chemische Eskalation? Ein schauriger Gedanke! Ich sah Futurologen in Verbrüderung mit indianischen Schuhputzern, Geheimagenten in den Armen des Hotelpersonals, riesige fette Ratten in holder Eintracht mit Katzen; überdies beleckten die Polizeihunde jedermann ohne Unterschied. Wir rückten nur langsam voran, denn wir mußten uns mühselig durchs Gewühl zwängen. Die Wanderung strengte mich an, zumal da ich als Schlußmann des Zuges die Hälfte unserer Sauerstoffvorräte trug. Gestreichelt, auf Hände und Füße geküßt, angebetet, in Umarmungen und Liebkosungen erstickend, stapfte ich stur drauflos. Endlich vernahm ich einen Triumphschrei Stantors. Er hatte den Einstieg in den Kanal gefunden. Mit letztem Aufgebot aller Kräfte hoben wir den schweren Deckel und kletterten nacheinander in den Betonschacht. Als Professor Trottelreiner auf einer Sprosse der eisernen Leiter ausglitt, stützte ich ihn und fragte, ob er sich den Kongreß so vorgestellt habe. Er aber antwortete nicht, sondern versuchte mir die Hand zu küssen, was sogleich meinen Argwohn wachrief. Es erwies sich denn auch, daß dem Professor die Maske verrutscht war, so daß er einen Hauch güteverpesteter Luft eingeatmet hatte. Sofort applizierten wir Foltern und reine Sauerstoffatmung sowie Hayakawas Referat, das wir laut vorlasen; dies war Howlers Idee. Der Professor kam wieder zu sich, bekundete dies durch eine Serie saftiger Flüche und marschierte mit uns weiter. Bald erblickten wir im matten Schein der Taschenlampe die öligen Flecken auf dem schwarzen Abwasserspiegel. Dieser Anblick war uns hochwillkommen, denn zehn Meter Erde trennten uns nun vom Boden der umbembten Stadt. Wie staunten wir, als sich herausstellte, daß schon vor uns jemand an diese Zuflucht gedacht hatte! Auf der Betonschwelle saß die vollzählige Hilton-Direktion. Die umsichtigen Manager hatten sich mit aufblasbaren Plastikfauteuils aus dem Hotelschwimmbad eingedeckt, ferner mit Radioempfängern, Schweppes, einer Batterie Whisky und einem ganzen kalten Büffet. Da auch diese Gruppe Sauerstoffgeräte benützte, fiel ihr nicht ein, mit uns teilen zu wollen. Doch wir nahmen drohende Haltung an, und da wir in der Überzahl waren, konnten wir die Gegner umstimmen. In nicht ganz freiwilliger Eintracht begannen wir die Hummer zu verschmausen. Mit dieser im Programm nicht vorgesehenen Mahlzeit endete der erste Tag des Futurologischen Kongresses. Von den Ereignissen des stürmischen Tages ermattet, bereiteten wir uns das Nachtlager unter mehr als spartanischen Bedingungen: unser Schlafplatz war aus Beton; es war nur ein schmaler Trittsteig, der die Spuren seines kanalräumerischen Daseinszweckes an sich trug. So ergab sich als erstes das Problem, die Aufblas-Fauteuils gerecht zu verteilen, mit denen sich die vorsorgliche Hilton-Direktion ausgerüstet hatte. Es gab sechs Fauteuils, und zwölf Personen hielten sie besetzt, denn jedes Mitglied des sechsköpfigen Hotel-Vorstands beherbergte eine Sekretärin auf der Liegestatt. Wir aber, die Kanalexpedition unter Stantors Führung, wir waren unser fünfundzwanzig, darunter eine Futurologengruppe mit den Professoren Dringenbaum, Hazelton und Trottelreiner, eine Gruppe von Presseleuten und CBS-Fernsehreportern sowie zwei unterwegs angegliederte Personen, nämlich ein kräftiger Mann in Lederjacke und Knickerbockers, den niemand kannte, und die kleine Jo Collins, die persönliche Hilfskraft eines »Playboy«-Redakteurs. Stantor wollte ihre chemische Bekehrung nutzen; ich hatte ihn schon unterwegs mit ihr über das Erstveröffentlichungsrecht an ihren Memoiren verhandeln hören. Bei siebenunddreißig Anwärtern auf sechs Fauteuils verschärfte sich die Lage zusehends. Wir flankierten die begehrten Ruhestätten und betrachteten einander scheel von unten; dazu zwangen uns im übrigen die Sauerstoffmasken. Jemand schlug vor, wir alle sollten sie auf ein gegebenes Zeichen abnehmen. Freilich hätten wir auf diese Weise den Anlaß der Zwistigkeiten beseitigt, da uns die Selbstlosigkeit übermannt hätte. Auf die Verwirklichung des Plans war trotzdem niemand erpicht. Nach langem Streit kam es endlich zum Kompromiß. Wir einigten uns auf das Los und auf dreistündige Schlafschichten. Als Lose dienten die Kupons des schönen Begattungsbüchleins, das manche von uns noch bei sich trugen. Mich traf das Los, während der ersten Schicht zu schlafen und das Lager (oder vielmehr den Fauteuil) mit Professor Trottelreiner zu teilen, der dürrer und sogar

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