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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Halluzination! – durchzuckte es mich. »Warum nicht gar!« – protestierte Trottelreiner. »Die übliche Ausrüstung der Luftlandetruppen!«
    »Schön, aber wieso kennen Sie sich damit aus?« – fragte ich und bestieg den hinteren Sattel. Der Professor stieß ab. Wir fuhren durchs Gras, bis Asphalt vor uns auftauchte. »Ich arbeite für die US Air Force!« – rief der Professor zurück, verbissen die Pedale tretend. Soviel ich mich entsann, trennten uns von Washington noch Peru und Mexiko; Kleinigkeiten wie Panama will ich gar nicht erwähnen. »Mit dem Fahrrad schaffen wir das nicht!« – schrie ich gegen den Wind. »Nur bis zum Sammelpunkt!« – rief der Professor zurück. War er etwa gar nicht der gewöhnliche Futurologe, für den er sich ausgab? In eine feine Zwickmühle war ich da getapst! Und was hatte ich in Washington verloren? Ich begann zu bremsen. »Was fällt Ihnen ein? Kurbeln Sie gefälligst!« rügte mich der Professor, über der Lenkstange buckelnd. »Nein! Wir halten! Ich steige ab!« – antwortete ich entschieden.
    Das Tandem wackelte und hielt an. Ein Bein auf den Boden stützend, wies der Professor mit höhnischer Geste in die Finsternis, die uns umgab. »Wie Sie wünschen! Gott befohlen!« – und schon fuhr er ab. »Vergelt’s Gott!« – rief ich und blickte ihm nach. Das rote Rücklichtfünkchen entschwand im Dunkel, ich aber setzte mich verunsichert auf einen Meilenstein, um meine Lage zu überdenken. Da stach mich etwas in die Wade. Ich griff unwillkürlich hin, ertastete allerlei Zweige und brach einige ab. Es tat weh. – Wenn das meine eigenen Schößlinge sind – sagte ich mir –, dann bin ich zweifellos noch in der Halluzination befangen! – Ich bückte mich, um dies nachzuprüfen, doch plötzlich traf mich ein heller Schein: aus der Kurve blitzten silbrige Halogenlichter hervor, der riesige Umriß eines Autos bremste ab, die Tür öffnete sich. Drinnen glühten grüne, goldene und blaue Lichtbänder auf dem Armaturenbrett. Matter Abglanz umfloß zwei Frauenbeine in Nylons; goldschuppig beschuhte Füße ruhten auf den Pedalen; ein dunkles Gesicht mit mohnroten Lippen neigte sich mir entgegen; Brillanten funkelten an den Fingern, die das Lenkrad hielten. »Sie wollen mitgenommen werden?« Ich stieg ein, zu verblüfft, um gleich an meine Zweige zu denken. Heimlich befühlte ich die eigenen Beine. Da waren bloß Disteln hängengeblieben. »Jetzt gleich?« – sprach die dunkle, sinnlich getönte Stimme. »Jetzt gleich was!« – fragte ich verdattert. Die Frau zuckte die Achseln. Das wuchtige Auto schoß los, sie berührte eine Taste, Finsternis sank herab, nur der Lichtfleck auf der Straße flitzte vor uns her. Dem Armaturenbrett entströmte eine vogelhaft schmetternde Melodie. – Das ist dennoch seltsam – dachte ich. – Es reimt sich nicht zusammen. Weder Hand noch Fuß. Zwar keine Zweige, sondern nur Disteln, aber dennoch, dennoch …! Ich musterte die fremde Frau. Sie war unleugbar schön, von zugleich lockender, dämonischer und pfirsichhafter Schönheit. Aber statt des Rocks trug sie Federn. Straußfedern? Halluzination? Obzwar heutzutage die Damenmode … Ich wußte nicht, was ich denken sollte. Die Landstraße war leer. Wir brausten dahin, daß die Tachometernadel dem Rand der Skala zustrebte. Plötzlich verkrallte sich mir von hinten eine Hand ins Haar. Ich zuckte. Finger mit spitzen Fingernägeln kratzten mich am Hinterhaupt, eher zärtlich als mörderisch. »Wer da? Was gibt’s?« – ich versuchte mich zu befreien, aber ich konnte den Kopf nicht bewegen. »Lassen Sie mich gefälligst los!« Lichter tauchten auf. Es war ein großes Haus. Kies knirschte unter den Reifen. Das Auto bog ab, schliff sich am Randstein, hielt an. Die Hand, die mich noch immer beim Schöpf hielt, gehörte zu einer zweiten Frau. Die war schwarz gekleidet, eine bleiche schlanke Person mit dunkler Brille. Die Wagentür sprang auf. »Wo sind wir?« – fragte ich. Schweigend stürzten sich beide auf mich. Die am Lenkrad stieß mich hinaus, die andere stand schon auf dem Gehweg und zog mich. Ich kroch aus dem Auto. Im Haus wurde gefeiert; ich hörte Musik und Trinkergeschrei. Der Springbrunnen an der Auffahrt schillerte gelb und purpurn im Widerschein der Fenster. Meine Begleiterinnen hakten sich fest bei mir ein. »Aber ich habe keine Zeit« – murmelte ich. Sie achteten gar nicht auf meine Worte. Die Schwarze neigte sich und hauchte mir mit heißem Atem geradewegs ins Ohr: »Hu!«
    »Wie

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