Der Gang vor die Hunde (German Edition)
laufen, und sagte zu ihr: »Siehst du, Meta, der Herr war auf dem Pennal unser Primus.« Und zu Fabian sagte er: »Das ist meine Frau, alter Knabe. Meine bessere Hälfte gewissermaßen. Wir leben in Remscheid. Ich habe den Assessor an den Nagel gehängt und bin im Geschäft meines Schwiegervaters. Wir machen Badewannen. Wenn du mal eine brauchen solltest, kannst du sie zum Engrospreis haben. Haha! Ja, es geht mir gut. Danke. Glückliche Ehe, Wohnung in einem Zweifamilienhaus, großer Garten dahinter, nicht ganz ohne Bargeld, Kind haben wir auch, aber noch nicht lange.«
»Es ist erst so groß«, entschuldigte sich Meta und zeigte mit den Händen, wie klein das Kind war.
»Es wird schon noch wachsen«, tröstete Labude. Die Frau blickte ihn dankbar an und hängte sich bei ihrem Mann ein.
»Also, alter Schwede«, fing der Akademiker wieder an, »nun erzähle mal, was du die ganze Zeit über gemacht hast.«
»Nichts Besonderes«, bemerkte Fabian. »Augenblicklich bastle ich an einer Weltraumrakete. Ich will mir mal den Mond ansehen.«
»Ausgezeichnet!«, rief der Mann, der in die Badewannen eingeheiratet hatte. »Deutschland allen voran! Und wie geht’s deinem Bruder?«
»Sie überschütten mich mit frohen Neuigkeiten, mein Herr«, sagte Fabian. »Ein Brüderchen habe ich mir schon lange gewünscht. Nur eine bescheidene Zwischenfrage: Wo sind Sie eigentlich aufs Gymnasium gegangen?«
»In Marburg natürlich.«
Fabian hob bedauernd die Schultern. »Es soll eine bezaubernde Stadt sein, aber ich kenne Marburg leider gar nicht.«
»Dann entschuldigen Sie vielmals«, knarrte der Andere. »Kleine Verwechslung, täuschende Ähnlichkeit, nichts für ungut.« Er knallte die Absätze zusammen, befahl: »Komm, Meta!« und entfernte sich. Meta blickte Fabian verlegen an, nickte Labude zu und folgte dem Gemahl.
»So ein dämlicher Affe!« Fabian war entrüstet. »Spricht wildfremde Leute an und tut familiär. Ich habe diesen Caligula im Verdacht, daß die Anpöbelei zu seiner Kabarettregie gehört.«
»Das glaube ich nicht«, meinte Labude. »Die Badewannen waren sicher echt und das entsetzlich kleine Kind auch.«
Sie gingen heimwärts. Labude schaute trübselig aufs Pflaster. »Es ist eine Schande«, sagte er nach einer Weile. »Dieser gewesene Assessor hat eine Wohnung, einen Garten, einen Beruf, eine Frau mit Sommersprossen und was noch alles. Und unsereins vegetiert herum wie ein Landstreicher ohne Land, man hat noch keinen festen Beruf, man hat kein festes Einkommen, man hat kein festes Ziel und nicht mal eine feste Freundin.«
»Du hast doch Leda.«
»Und was mich besonders aufbringt«, fuhr Labude fort, »so ein Kerl hat ein eignes, selbstgemachtes Kind.«
»Sei nicht neidisch«, sagte Fabian, »dieser juristisch vorgebildete Badewannenfabrikant ist ein Ausnahmefall. Wer von den Leuten, die heute dreißig Jahre alt sind, kann heiraten? Der Eine ist arbeitslos, der Andere verliert morgen seine Stellung. Der Dritte hat noch nie eine gehabt. Unser Staat ist darauf, daß Generationen nachwachsen, momentan nicht eingerichtet. Wem es dreckig geht, der bleibt am besten allein, statt Frau und Kind an seinem Leben proportional zu beteiligen. Und wer trotzdem andere mit hineinzieht, der handelt mindestens fahrlässig. Ich weiß nicht, von wem der Satz stammt, daß geteiltes Leid halbes Leid sei, aber wenn der Quatschkopf noch leben sollte, dann wünsche ich ihm zweihundert Mark monatlich und eine achtköpfige Familie. Da soll er sein Leid so lange durch acht dividieren, bis er schwarz wird.« Fabian sah den Freund von der Seite an. »Übrigens, wozu bedrückt dich das? Dein Vater gibt dir doch Geld. Und wenn du die Venia legendi hast, wirst du noch ein paar Groschen dazu verdienen. Dann heiratest du Leda, und deinen Vaterfreuden steht nichts mehr im Wege.«
»Es gibt ja auch noch andere Schwierigkeiten außer den ökonomischen«, sagte Labude, blieb stehen und winkte einem Taxi. »Sei mir nicht böse, wenn ich jetzt allein sein will. Kannst du mich morgen bei meinen Eltern abholen? Ich muß dir Verschiedenes erzählen.« Er drückte dem Freund Etwas in die Hand und stieg in den wartenden Wagen.
»Handelt es sich um Leda?« fragte Fabian durchs offene Fenster.
Labude nickte und senkte den Kopf. Das Auto fuhr an.
Der Andere blickte dem Wagen nach. »Ich komme!« rief er. Doch das Auto war schon weit weg, und das rote Schlußlicht konnte ein Glühwürmchen sein. Dann besann er sich und stellte fest, was er in der Hand
Weitere Kostenlose Bücher