Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
niederländische Prediger blickte zur Saaldecke und faltete die Hände. »Ich danke dir, mein Herr im Himmel, dass du deinen Diener noch zur rechten Zeit geschickt hast, um unschuldige Seelen zu retten!«
»Nun ja, Herr Magister, Seelen zu retten steht Euch zu, ganz gewiss.« Der Dr. Kramer räusperte sich. »Doch über Schuld und Unschuld zu urteilen, sind nun einmal Wir gesetzt, solange der Jüngste Tag noch auf sich warten lässt.«
»Amen! Und möge der gütige und allmächtige Gott uns nicht mehr allzu lange auf ihn warten lassen! Doch ich will mich zunächst zu meiner Person erklären …«
»… darum wollte ich Euch gerade bitten …«
»Willem van Bela, studiert zu Amsterdam, im Dienst an jenen verwahrlosten Schotten, mit denen der wilde Däne Holk zuletzt die Plagen der armen Stadt vermehrte – möge Gott seine verirrte Seele bald auf den Pfad der Tugend und des Gehorsams gegen sein Wort führen!«
»Ihr seid also als Feldprediger der Dänen in der Stadt?«
»Und vor der Stadt, wenn es gilt, Sterbende und Verletzte zu trösten.« Der reformierte Prediger deutete auf Hannes und Susanna. »Ich war dabei, als diese beiden getraut wurden. In Nürnberg geschah es, anno ’24 …«
»Die beiden sind vor Gott getraute Ehegatten?« Dem Richter fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, und Hannes traute seinen Ohren kaum.
»So wahr ich hier stehe! Ich weilte damals zu Nürnberg, weil man mich zu einem sterbenden Kaufmann reformierten Bekenntnisses rief. Meinen lutherischen Amtsbruder versuchte ich seinerzeit vergeblich zum rechten Glauben zu bekehren, leider.«
»Das ist schade, Herr Magister …« Mit dem polternden Gehabe des Richters Dr. Kramer hatte es ein Ende, ziemlich kleinlaut wirkte er. »Doch warum hat sie sich Uns gegenüber denn als Frau des Komödianten ausgegeben?«
»Eine Lüge! Ich habe sie getadelt und gescholten dafür. Ich bin ihr Seelsorger, müsst Ihr wissen. Ich kenne die Komödianten ja aus Nürnberg, ging auch hier bei ihnen ein und aus. Der Komödiant, den ihr wegen Unzucht suchen lasst, hat sie zu dieser Behauptung gezwungen.« Er zuckte mit den Schultern. »Fragt mich nicht, warum, wohl um sein frevelhaftes Verhältnis zu jener Edelfrau zu vertuschen, zu jener Witwe von Bernstadt.«
»Die Untersuchungen in diesem Fall sind noch nicht abgeschlossen.« Die Miene des Richters verschloss sich plötzlich. »Doch was könnt Ihr zur Sache erzählen, Herr Magister?«
»Ich betete mit meinem verwirrten Seelsorgekind, als der Offizier bei uns eindrang. Er schlug mich nieder, fesselte und knebelte mich, um sich an der armen Frau vergehen zu können.« Er lüpfte den Hut, zeigte auf eine Schramme und einen blauen Flecken an seiner Stirn. »Doch ihr Mann kam und hielt ihn ab von verwerflicher Schande. Der Offizier floh, ihr Gatte hinterher, und den Rest wisst Ihr ja.«
Der Richter, der Henker, die Henkersknechte – alle staunten mit offenen Mündern. Und Hannes staunte wohl am meisten.
Der Prediger zog einen Stapel Papiere heraus. »Züchtig lebten sie vor der Eheschließung, das kann ich bezeugen. Und diese Briefe bezeugen es auch.«
Hannes musste mit ansehen, wie der Mann die alten Briefe Susannas auf dem Richtertisch ausbreitete. Damit sie keinem Fremden in die Hände fielen, hatte er sie mit in die Stadt genommen und mit dem reformierten Talar in Susannas Schlafkammer zurückgelassen. Er stutzte – der Talar kam ihm plötzlich bekannt vor.
»Im belagerten Heidelberg wartete sie auf ihren Verlobten, wovon Ihr Euch hierdurch überzeugen mögt.« Der reformierte Prediger deutete auf die Briefe. »Und unter Einsatz seines Lebens hat er seine Verlobte aus der Stadt gerettet! Und nun wollte er sie aufs Neue retten. Er hörte, dass sie mit den Komödianten, bei denen sie ihr Brot verdiente, im freien und stolzen Stralsund eingeschlossen ist, und drang in die Stadt ein, um sie zu retten.«
Mit vielen Worten schilderte er, wie Hannes unter dem Markgrafen von Durlach für die evangelische Sache gekämpft hatte, wie beide, er und Susanna, einander über Jahre der Trennung die Treue gehalten hatten, und wie Gottes gnädige Fügung nun wieder zueinandergeführt habe, was nur der Tod noch scheiden könne. »Und ist so nicht aufs Neue bewiesen, was doch von Anbeginn geschrieben steht?«, schloss der Prediger. »Gottes Wege sind vollkommen, des HERRN Worte sind durchläutert! Er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen!«
Er verkündete es laut, und keinen Ton hörte Hannes mehr im Gerichtssaal.
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