Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
durch das Reich zogen. Die Namen der wichtigsten: Thomas Sackville, John Spencer, Robert Browne – der »Alte Komödiant« – und John Green. Letzterer führte wohl Shakespeares Hamlet zum ersten Mal auf dem Festland auf: 1626 in Dresden.
Was uns nun von diesen wandernden Theaterintendanten überliefert ist – biographische Einzelheiten, die Routen, die sie zurücklegten, ihr Repertoire, ihre Arbeitsweise und Spielpläne –, habe ich in meiner Figur des Christopher Greenleys zu verdichten versucht. Mr. Greenley ist gewissermaßen aus dem gleichen Holz wie diese Männer geschnitzt, sie verschmelzen in ihm zu einer Figur; so gesehen, kann man ihn durchaus als »historische Persönlichkeit« bezeichnen.
Ähnliches ließe sich von Susanna, Hannes, Maximilian und so weiter sagen. Sicher taucht im Handschuhsheim jener Tage hin und wieder der Frauenname Susanna auf, gewiss sind Schneidermeister des Dorfes belegt – einer hieß tatsächlich Almut –, und viele Bürger des heutigen Heidelberger Stadtteils mögen die Stellen kennen, an denen das Waisenhaus und seine Knabenschule lagen. Eine Schneiderstochter namens Susanna Almut ist mir im Namensbuch von Handschuhsheim allerdings nicht begegnet. Als Individuum ist Susanna keine »historische« Figur, als Typ oder Charakter allemal: Was meine Susanna dachte, fühlte und glaubte, was sie aß, wie sie sich kleidete, was sie für ihre Zukunfthoffte, und was sie schließlich erleben musste, dürfen meine LeserInnen sich als typisch vorstellen für so manche junge Frau aus Susannas Zeit und sozialer Schicht.
Zwei Angaben konnte ich in keinem Buch finden: Hatte Neuenheim tatsächlich schon Kopfsteinpflaster damals? Und wann genau hat Tilly während der Belagerung Heidelbergs das Dorf niederbrennen lassen? Darüber konnte mich auch kein Regionalhistoriker aufklären. Ich entschied einfach, dass der junge Kurfürst seine englische Prinzessin statt durch Staub bzw. Schlamm über Kopfsteinpflaster entlang des Neckars zur alten Brücke führte; den Zeitpunkt des Brandes habe ich kurzerhand meiner Dramaturgie unterworfen.
Gut die Hälfte meiner Geschichte spielt vor einer Kulisse, die mir seit meiner Jugend vertraut und lieb ist: in Odenwald, Heidelberg und Neckartal. Es hatte etwas Schmerzliches, in einer so schönen Stadt und einer derart lieblichen Gegend die schlimmen Ereignisse aus den frühen Jahren des Dreißigjährigen Krieges schreibend nachzuerleben. Vielleicht, so denke ich mir jetzt, ist meine Susanna ja ein Stück Fleisch gewordenes Heidelberg vergangener Tage – heimgesucht, gerettet und neu aufgeblüht. Bei allem Bemühen um historische Genauigkeit galt mein Hauptinteresse als Erzähler der Darstellung solcher existenziellen Erfahrungen: Heimsuchung, Rettung, Neuanfang, Liebe und Tod.
Diese Grundbedingungen menschlichen Daseins verbinden uns auch über eine Kluft von vierhundert Jahren mit den Menschen, die in meiner Geschichte ihr Schicksal meistern oder ihr Unwesen treiben. Schön wäre es – und meine Geschichte gelungen –, wenn sie möglichst vielen LeserInnen so nahe kommen, wie mir während des Schreibens: fast so nahe wie Zeitgenossen.
D ANK
Es soll Titanen geben, die ganz ohne Hilfe anderer ein Buch schreiben können. Zu denen zähle ich nicht. Die Namen all derer aufzulisten, denen ich Anregungen und Unterstützung beim Schreiben des Gauklers verdanke, würde zu viele Seiten füllen. Doch stellvertretend für alle möchte ich wenigstens einige meiner häufig ungefragten Helfer nennen.
Danken möchte ich den Mitarbeiter der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, in deren Räumen ich tagelang über papierenen Schätzen brütete, die sie dort hüten und pflegen. Zum Beispiel fand ich hier eine wenig bekannte Chronik der »Alten berühmten Stadt Heydelberg« und der Pfälzer Kurfürsten aus dem Jahre 1733. In ihr hat der Handschuhsheimer Pfarrer Johann Peter Kayser akribisch über die schlimmen Tage des Jahres 1622 berichtet.
Dankbar ziehe ich den Hut vor Bernd Warlich, seinen Mitarbeitern und ihrem »Projekt«, wie das Internetportal heißt, in dem sie Informationen über »Täter und Opfer« des »Großen Krieges« sammeln und zugänglich machen ( http://www.30jaehrigerkrieg.de/ ). Hier erfuhr ich wertvolle Einzelheiten über historische Figuren, die in meiner Geschichte auftreten.
Stellvertretend für jene Buchautoren, ohne die kein Schreiber historischer Romane auskommen kann, will ich Peter Engerisser nennen. Seine Bücher »Von Kronach nach
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