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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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der Kammerherren des Königs ernannt worden war, war er Leutnant in der Garde der Königin gewesen. Er war der zweite Sohn des Barons Erondites und ganz sicher aufgrund der Machtstellung seines Vaters als Kammerherr ausgewählt worden, nicht etwa, weil Erondites ein besonderer Freund der Königin war.
    Die Götter allein wussten, was Sejanus in den Baracken zu suchen hatte  – aber natürlich musste der gesamte Palast bereits über Costis’ Schmach und Teleus’ Disziplinarmaßnahme unterrichtet sein. Die Garde hatte schließlich den ganzen Tag über in Sichtweite des Palasts strammgestanden. Es war unvorstellbar, dass es jemanden gab, der noch nicht die ganze Geschichte kannte, und nichts konnte Sejanus davon abhalten, in die Baracken zu kommen, wenn er wollte und im Augenblick nicht gerade dem König aufwarten musste.
    »Nein, ich glaube nicht, dass man dem Tropfen die Schuld geben kann, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, meine Herren.« Er zerzauste Costis das Haar, als wäre er ein kleiner Junge. »Wenn der König letztendlich die Fassung verloren hat, dann solltet ihr den Grund dafür lieber in dem Sand in seinem Bett suchen. Sand in den Bettlaken ist doch so lästig  – besonders, wenn er alles ist, was man im Bett hat.« Die Männer um ihn herum lachten. Sejanus stieß Costis auf die Treppe zu, und er ging dankbar weiter, während die Gardisten sich von den Bemerkungen des ehemaligen Leutnants über den König, den Sand und seine Schlafgewohnheiten ablenken ließen.
    »Es gab doch sicher noch weitere lästige Dinge, nicht wahr?«, fragte einer der Gardisten Sejanus.
    »Davon weiß ich ganz bestimmt nichts«, antwortete Sejanus mit seinem gewohnt kühlen Lächeln.
    »Aber Relius«, sagte der Gardist. »Relius wird spätestens morgen früh davon wissen.« Es ertönte weiteres Gelächter. Der Archivsekretär verfügte über eine Armee von Spionen, um an jede Information zu gelangen, die er herausbekommen wollte.
    Sobald er sich auf der Treppe befand, war Costis vom Eingangsbereich aus nicht mehr zu sehen, und er langte zurück, um Aristogiton, der in der Nähe stand, am Ärmel zu zupfen; er stand am Rande von Sejanus’ Kreis erfahrener Soldaten, die gleichwohl noch keine Veteranen waren. Aris riss den Arm los, aber Costis packte ihn am Ellbogen und tat mit einem kräftigen Ruck seine Absicht kund, Aris notfalls die Treppe rückwärts hinaufzuschleifen, und Aris gab nach.
    Dennoch zerrte Costis seinen Freund förmlich durch die Dunkelheit bis zum oberen Ende der engen Treppe. Er blieb unmittelbar unterhalb des Treppenabsatzes stehen. Dort gab es eine Lampe, deren Licht auf Aris’ nach oben gewandtes Gesicht fiel. Costis, der eine Stufe weiter oben stand, beugte sich über seinen Freund.
    »Sag mir«, flüsterte er scharf, »dass du nichts von den Streichen weißt, die Sejanus dem König gespielt hat.«
    »Warum sollte ich?«
    »Lüg mich nicht an, Aris. Ich habe dein Gesicht gesehen!«
    »Ich …«
    »Was hast du getan?«
    Aris kratzte sich am Kopf. »Ich glaube, ich habe die Nachricht überbracht, dass der König die Jagdhunde auf dem Löwenhof in Augenschein nehmen wollte.«
    »Du glaubst es? Was meinst du damit?«
    »Sie stand auf einem gefalteten Blatt Papier. Woher hätte ich denn wissen sollen, was es enthielt?«
    »Aber du wusstest, dass etwas nicht stimmte? Warum hättest du eine Botschaft des Königs überbringen sollen? Wer hat sie dir zur Weitergabe anvertraut?«
    »Costis …«
    »Wer? Und warum hast du sie überbracht, du Narr?«
    »Was hätte ich denn tun sollen? Nein sagen?«
    »Der Gedanke hätte dir immerhin kommen können.«
    »Dir wäre er natürlich gekommen, Costis, weil du nicht den Okloi angehörst. Du willst also wissen, wer mich gebeten hat, die Botschaft zu überbringen? Der zweite Sohn des Mannes, an den mein Vater seine Steuern zahlt. Was hätte ich denn tun sollen? Was hättest du getan?« Aris warf die Hände in die Luft. »Ich weiß, was du getan hättest. Du hättest ohne Rücksicht auf die Folgen abgelehnt, weil dein Ehrgefühl die Ausmaße eines Flusses hat. Es tut mir leid, Costis, aber ich fürchte, für meines gilt das nicht.«
    »Für meines ja vielleicht auch nicht«, entgegnete Costis. »Sonst hätte ich wohl kaum einen heiligen Eid geschworen, einen Mann zu beschützen, und ihn dann niedergeschlagen.«
    Aris prustete.
    Costis hielt inne, um sich zu sammeln. Er hatte sich noch nie so unvernünftig heißblütig gefühlt. Die Empfindung gefiel ihm nicht,

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