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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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gefunden hatte, der von einem entscheidenden Ereignis berichtete. Dass sie jetzt wisse, wer Lea sei, Großmutter Rakels gute Freundin. Dass die beiden fast gleichzeitig Kinder bekommen hatten. Dass sie ein Foto von Leas Sohn Stig gesehen hatte und dass der Onkel Ivar unheimlich ähnlich sah. Sie erzählte von Vater und Sohn Otto und dass möglicherweise beide in Lea verliebt gewesen waren. Und dass Rakel einen Mann mit einer Narbe geheiratet hatte, während gleichzeitig ein Mann mit einer solchen Narbe auf Marstrand verschwunden war.
    Onkel Ivar hörte aufmerksam zu und spielte an seinem Besteck herum. Er wirkte erst überrascht, als sie von der unerwarteten
Erbschaft und ihren Unterredungen mit Sara Moréus und Rechtsanwalt Levander berichtete. Als sie fertig war, schien ihn nichts davon überrascht zu haben.
    »Kennst du die biblische Geschichte von Rakel und Lea?«, fragte er.
    »Zwei Schwestern, eine schön und eine hässlich.«
    »Rakel und Lea waren Schwestern in einem reichen Heim, das Jakob, einer der Patriarchen, aufsuchte, um Arbeit zu finden und sich zu verstecken, da er seinen Bruder Esau um das Erstgeburtsrecht betrogen hatte. Lea war die Ältere, die hässliche, während Rakel schön war. Als Jakob Rakel sah, war er sofort in sie verliebt. Der Vater der beiden erklärte, Jakob werde Rakel heiraten dürfen, wenn er sieben Jahre um sie diente. Das tat Jakob, und dann wurde Hochzeit gehalten. Die Braut war prächtig gekleidet, ihr Gesicht aber verschleiert. Erst als die Hochzeitsnacht anbrach, hob Jakob den Schleier und sah, dass er nicht mit Rakel verheiratet worden war. Sondern mit Lea. Er ging zum Vater der Schwestern, und der erklärte, Jakob müsse noch weitere sieben Jahre dienen, um auch Rakel zu bekommen. Das tat Jakob, und sieben Jahre danach war es so weit.«
    »Das ist ein unglaublicher Zufall. Dass Opa Jakob eine Frau namens Rakel hatte. Die mit einer Lea befreundet war. Aber was ist die Moral von der Geschicht’?«
    Onkel Ivar brüllte vor Lachen. Anders ließ sich das nicht beschreiben.
    »Dass damals die Mehrehe erlaubt war. Oder dass man den Schleier der Braut lüften soll, ehe man ja sagt. Oder dass es gefährlich ist, die Liebe zu manipulieren. Jakob liebte Benjamin und Josef, seine Kinder von Rakel, mehr als die Kinder, die er mit Lea hatte. Das führte dazu, dass Josef von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde. Schweinereien wiederholen sich eben. Ende des Vortrags. Machen wir einen Spaziergang?«

    Das Essen hatte wunderbar geschmeckt, lag aber wie erwartet schwer im Magen. Sie lieh sich ein Paar Gummistiefel, damit sie über das Feld gehen konnten. Onkel Ivar stieg in kräftige Skistiefel, schloss die Tür ab und legte das Schritttempo vor. Sie folgte ihm durch das Tor, über die Straße und dann über einen Weg, der in ein spärlich bewachsenes Waldgebiet führte. Onkel Ivar packte ihren Arm, als sie auf einem Stein ins Rutschen geriet.
    »Ich bin ein alter Mann. Aber dass die Ratschlüsse unseres Herrn unergründlich sind, das weiß ich bestimmt. Nach Mårtens Tod ist es klar, dass sich viele Gedanken über das Leben und den Tod zu Wort melden.«
    »Hast du Lea gekannt?«
    Onkel Ivar seufzte.
    »Ich wusste immerhin, wer sie war«, antwortete er. »Auch wenn ich sie nicht sehr oft getroffen habe. Lea. Mamas Zwillingsseele, wie sie manchmal sagte. Die Schwester, die sie nie bekommen hatte. Aber Lea war nicht hässlich, sondern ebenso schön wie Mama. Die beiden waren in ihrer Jugend im selben Haus in Göteborg in Dienst, aber das weißt du ja schon. Danach hielten sie Kontakt, auch wenn das von Leas Missionsstation aus schwer war. Aber sie schrieben sich Briefe und trafen sich, wenn Lea nach Schweden kam. Sie war auch bei Mama im Krankenhaus. Einmal brachte sie ihr schöne Schuhe mit. Sie passten wie angegossen. Wir haben sie Mama angezogen, als sie in den Sarg gelegt wurde. Uns kam das richtig vor. Und vielleicht hatte Lea das ja so gewollt. Sie hielt ihre Hand, als Mama gestorben ist. Wir anderen waren nicht rechtzeitig da. Am Ende ging alles so schnell.«
    »Woran ist Oma eigentlich gestorben?«
    »An Blutkrebs. Leukämie.«
    Onkel Ivar zog sein Taschentuch hervor und wischte sich damit
die Stirn, während er zugleich mit der Hand ihre besorgte Frage abwinkte. Er antwortete, wenn man in seinem Alter keine Krämpfe hätte, sei man einfach nicht gesund.
    »Ich weiß nicht, warum das mit der Erbschaft, von der du erzählt hast, so gekommen ist, warum das Geld an den Jungen

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