Der geheime Stern
“Der Kredithai, der Jack unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auf mich angesetzt hat, ist tot. Und die beiden Typen, die auf uns geschossen haben, sind ebenfalls tot. Genauso wie die Salvinis.”
“Und Melissa” murmelte Grace.
“Melissa?” Bailey sah sie mit großen Augen an. “Die Leiche in deinem Haus war Melissa?”
“Sie muss es gewesen sein. Als ich nach Hause kam, war dieser Polizist da. Er ging davon aus, dass ich das Opfer war.” Grace musste einmal tief durchatmen. “Sie ist aus dem oberen Stockwerk gestürzt – oder gestoßen worden. Ich war meilenweit weg, als es passierte.”
“Und wo warst du?”, fragte M.J. “Dein Landhaus war komplett verriegelt. Und ich dachte … ich war mir sicher, dass du gerade noch dort gewesen bist. Es roch noch nach dir.”
“Ich bin gestern Morgen abgefahren. Ich hatte auf einmal unbändige Lust aufs Wasser, also bin ich zur Ostküste rauf und habe mir eine kleine Pension gesucht. Ich hab versucht, euch anzurufen, aber es gingen immer nur die Anrufbeantworter ran. Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl, daher bin ich wieder nach Hause gefahren.” Sie schloss für einen Moment die Augen. “Bailey, ich habe einfach nicht nachgedacht. Kurz bevor ich in die Berge gefahren bin, haben wir eines der Kinder verloren.”
“O Grace, das tut mir leid.”
“So läuft es eben. Sie werden mit Aids oder cracksüchtig geboren oder mit einem Loch im Herzen. Manche von ihnen sterben. Aber ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen. Ich war so durcheinander, dass ich gar nicht richtig überlegt habe. Und dann war da dieser Polizist in meinem Haus. Er fragte mich nach dem Diamanten. Ich wusste nicht, wie viel ich ihm sagen darf.”
“Die Polizei weiß inzwischen alles.” Bailey seufzte. “Weder Cade noch Jack scheinen diesen Lieutenant Buchanan besonders zu mögen, aber sie respektieren ihn. Unsere beiden Diamanten sind mittlerweile in Sicherheit.”
“Es tut mir so leid, dass ihr das alles durchmachen musstet. Und dass ich nicht da war.”
“Du hättest gar nichts tun können”, erklärte M.J. “Mach dir keine Gedanken. Vielleicht sollte alles so kommen.”
“Aber jetzt sind wir wieder zusammen.” Grace griff nach den Händen ihrer Freundinnen. “Und was machen wir als Nächstes?”
“Ladies.” Seth trat ins Zimmer und musterte sie kühl, bis sein Blick an Grace hängen blieb. “Ms. Fontaine, darf ich jetzt um den Diamanten bitten?”
Grace stand auf, holte ihre Tasche und öffnete sie. Behutsam zog sie einen kleinen Samtbeutel heraus und ließ den Stein in ihre Handfläche gleiten. “Herrlich, nicht wahr?”, murmelte sie. “Diamanten fühlen sich ja angeblich kalt an. Aber dieser hier ist ganz … heiß.” Sie sah auf und blickte Seth direkt in die Augen. “Trotzdem, wie viele Leben ist so ein Stein wert?”
Sie streckte ihm ihre geöffnete Hand hin. Als sich seine Finger um den Stein schlossen, spürte er eine Art Stromschlag – seine Finger auf ihrer Haut, der glitzernde blaue Diamant zwischen ihren Händen.
Sie glaubte, ein Klicken zu hören.
Und fragte sich, ob er es auch gehört hatte. Oder zumindest gespürt. Warum sonst kniff er diese rätselhaften Augen zusammen und ließ seine Hand etwas länger als nötig auf ihrer ruhen? Für einen Augenblick meinte sie, keine Luft mehr zu bekommen.
“Beeindruckend, nicht wahr?”, stieß sie hervor. Erst als er ihr den Stein aus der Hand nahm, schien der innere Aufruhr abzuebben.
Er versuchte, das seltsame Gefühl, das bei der Berührung durch seinen Arm geschossen war, zu ignorieren. “Ich vermute, dieser Stein wäre sogar für Ihren Geldbeutel zu viel, Ms. Fontaine.”
Sie lächelte. Nein, sagte sie sich. Offenbar hatte er nichts gespürt. Reine Einbildung. “Ich ziehe es vor, meinen Körper weniger … auffällig zu schmücken.”
Bailey erhob sich. “Für die drei Sterne bin ich allein verantwortlich, zumindest so lange, bis das Smithsonian Museum etwas anderes entscheidet.” Sie sah zu Cade hinüber, der in der Tür stand. “Wir werden sie in den Safe legen. Alle drei. Und dann werde ich gleich morgen früh mit Dr. Linstrum sprechen.”
Seth betrachtete den Stein. Vermutlich hätte er ihn konfiszieren können, ihn und die beiden anderen. Immerhin handelte es sich um Beweisstücke in mehreren Mordfällen. Doch sogar er fand die Vorstellung, mit diesem unschätzbaren Vermögen in der Tasche zum Revier zu fahren, nicht sonderlich verlockend.
“Schließen Sie sie gut weg.”
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