Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
einen die Ha l tung , schilt eine andere , weil sie kichert. Das k i chernde Mädchen nimmt sich die Ermahnung zu Herzen , stellt sich kerzengerade , schließt ein Auge und schießt. Der Pfeil hüpft über den Boden und bleibt in einem Er d klumpen stecken.
»Nein , nein« , seufzt Felicity. »Pass genau auf. Ich zeige noch einmal die richtige Haltung.«
Ich öffne die Morgenpost. Da ist ein Brief von Gro ß mama. Sie schreibt kein Wort über Vater. Erst ganz zum Schluss heißt es: Dein Vater macht Fortschritte im Sanat o rium und sendet seine herzlichen Grüße.
Da ist auch ein kleines Päckchen von Simon. Ich fürc h te m ich davor , es zu öffnen , aber schließlich siegt meine Neugier. Darin ist das kleine schwarze Kästchen , das ich ihm samt se i ner Widmung durch einen Boten zurückg e schickt hatte: Zur Aufbewahrung all Ihrer Geheimnisse. Das ist alles. Ich bin überrascht. Und plötzlich überhaupt nicht mehr sicher , ob es richtig war , ihm einen Korb zu geben. Simon strahlt so viel Ruhe und Sicherheit aus. Aber dieses Gefühl ist wie der do p pelte Boden des Kästchens. Irgen d etwas sagt mir , ich könnte durch den Boden seiner zärtl i chen Zuneigung fallen und dann dort gefa n gen sein.
Ich war so in meine Gedanken versunken , dass ich Mrs Nightwing hinter mir nicht bemerkt habe. Sie lässt ihren Blick über die Mädchen mit Pfeil und Bogen wandern und stößt einen Laut der Missbilligung aus.
»Ich kann mich damit überhaupt nicht abfinden« , sagt sie.
»Es ist gut , wählen zu können , was man tun will oder nicht« , sage ich , mit dem Kästchen in der Hand. Ich b e mühe mich , nicht zu weinen.
»Zu meiner Zeit gab es das nicht. Solche Freiheit. Da war niemand , der sagte: › Hier , die Welt liegt vor dir. Du brauchst nur danach zu greifen. ‹ «
In diesem Moment schickt Felicity mit einer blitzschne l len Bewegung ihrer Hand den Pfeil los. Er durc h schneidet die Luft , findet sein Ziel und trifft mitten ins Schwarze. Felicity kann sich nicht zurückhalten. Sie macht ihrer Si e gesfreude auf höchst undamenhafte Art und Weise Luft und die Mädchen stimmen in ihren Jubel ein.
Mrs Nightwing schüttelt den Kopf und hebt kurz ihre A u genbraue.
Ein Kind tritt mit einer jungen Katze, gefolgt von einer Mädchenschar zu Mrs Nigh t wing.
»Mrs Nightwing , bitte … darf ich es behalten?« Das G e sicht des Kindes ist offen und ernst. »Bitte , bitte!« , zwitschern die anderen Mädchen wie aufgeregte Küken.
»Ja , meinetwegen.«
Die Mädchen brechen in Jubelgeschrei aus. Mrs Nigh t wing hebt die Stimme , um sich Gehör zu verscha f fen. »Aber ich will nichts damit zu tun haben. Die Verantwo r tung für dieses Wesen liegt nun bei euch. Ich bin sicher , ihr werdet diesen Entschluss noch bitter bereuen« , sagt sie und zieht die Nase kraus. »Und jetzt entschuldigt mich bitte , ich möchte mein Buch zu Ende lesen , allein , ohne von einem einzigen ringellockigen Mädchen gestört zu werden. Wenn ihr mich zum Abendessen holen kommt und mich in meinem Sessel findet , für immer heimg e gangen zu den Engeln , dann sollt ihr wissen , dass ich allein gestorben bin , das heißt in einem Zustand höchster Glückseli g keit.«
Mrs Nightwing marschiert den Kiesweg hinunter zur Sch u le. Mindestens vier Mädchen halten sie unterwegs auf , um sie nach diesem und jenem zu fragen. Sie lassen nicht locker. Schließlich gibt sie auf und zieht mit einer gackernden Mä d chenschar im Gefolge in Spence ein. Sie wird ihr Buch nicht vor dem Abend lesen und irgendwie weiß ich , dass es das ist , was sie möchte –gebraucht werden. Das ist ihre Verantwo r tung.
Es ist ihr Platz. Sie hat ihn gefunden. Oder er hat sie gefu n den.
* **
N ach dem Abendessen , als wir im Marmorsaal um den Kamin versammelt sind , kehrt Mademoiselle LeFarge von ihrem Tag mit Inspektor Kent in London zurück. Sie strahlt. Ich habe sie noch nie so glücklich gesehen.
»Bonjour , m es filles!« , sagt sie , als sie in ihrem schicken neuen Rock und neuer hübscher Bluse ins Zimmer rauscht. »Ich habe Neuigkeiten.«
Die Mädchen bestürmen sie und lassen ihr kaum Zeit , sich am Feuer niederzulassen und ihre Handschuhe au s zuziehen. Als sie es tut , bemerken wir sofort den kleinen Brillanten am Mittelfinger ihrer linken Hand. Mademo i selle LeFarge hat in der Tat Neuigkeiten.
»Wir werden im kommenden Mai heiraten« , sagt sie und ihr Lächeln scheint schier überzufließen.
Wir schwänzeln um den Ring und unsere Lehrerin
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