Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
herum und löchern sie mit Fragen. Wie hat er um ihre Hand angeha l ten? Wo wird die Hochzeit stattfinden? Dürfen wir dabei sein? Es muss unbedingt eine Lond o ner Hochzeit sein –keine Landhochzeit! Wird sie als Glücksbringer orangefarbene Bl ü ten tragen? Wird sie sie im Haar oder aufgestickt auf ihrem Kleid tragen?
»Es ist ein wahres Wunder , dass selbst eine alte Jungfer wie ich noch ihr Glück finden kann« , sagt sie lachend. Aber dann ertappe ich sie dabei , wie sie den Ring an i h rer Hand mustert , als wolle sie sich von diesem Wu n der nicht blenden lassen.
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A m ersten Mittwoch des neuen Jahres pilgern wir zu Pippas Altar. Wir sitzen am Fuß der alten Eiche und schauen nach Zeichen des Frühlings aus , obwohl wir wi s sen , dass er noch Monate entfernt ist.
»Ich habe Tom geschrieben und ihm die Wahrheit gesta n den« , sagt Ann.
»Und?« , fragt Felicity.
»Es hat ihn sehr aufgebracht , getäuscht worden zu sein. Er hält mich für eine schreckliche Person , weil ich vorg e geben habe , jemand zu sein , der ich nicht bin.«
»Es tut mir leid , Ann« , sage ich.
»Ach , er ist nur ein Flegel und ein Spaßverderber auße r dem« , behauptet Felicity.
»Nein , das ist er nicht. Er hat völlig recht , böse auf mich zu sein.«
Dem kann ich nicht widersprechen.
»In Büchern bringt die Wahrheit alles ins rechte Lot. Die Bösen werden bestraft. Die Guten werden glücklich. Aber so ist es nicht wirklich , oder?«
»Nein« , sage ich. »Sie bringt einfach nur alles ans Licht.«
Wir lehnen uns an den Stamm und schauen zu den bausch i gen weißen Wolken hinauf.
»Warum sollte man dann überhaupt ehrlich sein?« , fragt Ann.
Ein Wolkenschloss schwebt gemächlich vorbei , wird u n terwegs zu einem Hund.
»Weil man die Illusion nicht für immer aufrechterhalten kann« , sage ich. »Niemand hat so viel Magie.«
Lange Zeit sitzen wir schweigend. Niemand versucht , zu scherzen oder über das Vergangene zu sprechen oder über das , was kommen wird. Wir sitzen nur da , den R ü cken an den Baum gelehnt , unsere Schultern einander leicht berührend. Es ist die leiseste aller Berührungen und dennoch gibt sie mir Halt.
Denn für einen Augenblick begreife ich , dass ich auf di e sem einsamen Weg Freundinnen habe , dass eines Menschen Platz auf Erden nichts ist , was man findet , sondern etwas , was man hat , wenn man es braucht.
Der Wind frischt auf. Er wirbelt die Blätter hoch in die Luft , bis sie in einer sanfteren Brise wieder zu Boden si n ken. Ein Blatt tanzt noch immer vor uns. Es schraubt sich höher und höher , Schwerkraft und Logik zum Trotz. Irgendwann wird es fallen müssen. Aber in diesem M o ment halte ich den Atem an , möchte , dass es nicht au f gibt , und finde Trost in seinem Kampf.
Eine neue Bö ergreift das Blatt und der Wind treibt es zum Horizont. Ich folge ihm mit den Augen , bis es nur noch eine Linie , dann ein Fleck ist. Ich schaue ihm nach , bis ich nichts mehr sehen kann , bis sein Weg in einem Wirbel anderer Blä t ter verschwindet.
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