Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)
Deutschland durchsucht hat, war einer Ihrer Leute?«
Domorow nickte.
»Hat er meine Schwester erschossen?«
Ein kurzes Zucken, dann wieder ein Nicken.
»War er es, den die deutsche Polizei tot aufgefunden hat?«
Kein Nicken.
Sascha schluckte. Dann fragte er weiter.
»Dmitri Kalugin, ist das auch einer von Ihnen?«
Domorow schüttelte den Kopf. »Nein.«
Sascha glaubte ihm. Vielleicht hatte Kopejew doch gelogen, als er behauptete, erst in Moskau von Saschas Existenz erfahren zu haben.
»Irina Bukaskina«, begann er nun, »was wissen Sie über sie?«
Domorow erzählte eine kurze Variante dessen, was Irina ihm am Abend zuvor erzählt hatte.
»Sie würde gerne nach Moskau zurückkehren«, sagte Sascha. »Könnten Sie …«
Domorow unterbrach ihn. »Ich habe ihr zugesagt, dass ich mich darum kümmern werde.«
Kyrill fuhr in Podolsk wieder auf den Parkplatz des Lokals, in dem sie am frühen Abend gegessen hatten.
Das Restaurant war jetzt ohne Licht, und neben dem Volvo, den sie zurückgelassen hatten, standen die beiden Männer, die Domorow begleitet hatten. Igor, Wadim und der Range Rover waren fort.
Domorow reichte ihm eine Visitenkarte. Auf der Rückseite hatte er seine Handynummer notiert.
»Ich bin in Ihrer Schuld«, sagte er.
Auf dem Flughafen bat Kyrill Sascha um die Geige und verschwand. Als er über eine Stunde später zurückkam, war der Geigenkoffer verklebt und mit einer Zollbanderole versehen.
Vom Terminal aus rief Sascha Reger an, erreichte aber nur die Mailbox und teilte mit, dass er um kurz vor acht deutscher Zeit in Köln/Bonn landen würde. Den Flug verschlief er mit dem Geigenkasten zwischen seinen Beinen.
Reger erwartete ihn am Ausgang, und Sascha blieb einen Moment wie angewurzelt stehen. Neben Reger stand Dmitri Kalugin.
»Das war mir nicht geheuer, Sie so ganz alleine«, brummte Reger und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. »Und meine Vorsicht hat sich ausgezahlt. Immerhin hat Kalugin Ihnen vor dem Moskauer Hotel das Leben gerettet.« Und mit Blick auf Kalugin sagte er vorwurfsvoll: »Auch wenn er Sie danach aus den Augen verloren hat.«
Sascha erfuhr außerdem, dass Reger den Hinweis auf Vikas Nachricht im Handschuhfach an die Polizei weitergegeben hatte und dass man die Notiz tatsächlich im Mülleimer des Leihwagenunternehmens gefunden hatte.
Reger klopfte auf den Deckel des Geigenkoffers. »Wenn ich das richtig sehe, sind Sie jetzt ein reicher Mann, Grenko.« Er betrachtete Sascha misstrauisch und fuhr sich über den kahlen Kopf.
»Sie wollen sich doch wohl nicht zur Ruhe setzen und jetzt das Fiedeln anfangen?«
Sascha lachte, und zum ersten Mal, seit die Geige in seinem Besitz war, wurde ihm klar, dass er den Wunsch des Großvaters hatte erfüllen können, aber die Wahrheit über dessen Schicksal wohl niemals richtiggestellt würde.
Epilog
Sommer 2011
I m Verzeichnis der Stradivaris findet man heute neben der Bezeichnung Grenko Stradivarius in der Rubrik Besitzer den Namen Alexander Grenko. Unter Bemerkungen steht: Leihgabe an das Tschaikowsky-Konservatorium.
In der Eingangshalle des Konservatoriums findet sich in der Galerie seit einem Jahr ein Bildnis von Ilja Wassiljewitsch Grenko. Darunter ist nur sein Name vermerkt, kein Geburtstag und kein Todestag. Er hat diesen Platz nicht inne, weil man sein Schicksal offiziell anerkannt oder ihn gar rehabilitiert hätte. Er hat diesen Platz inne, weil es die Bedingung für die Leihgabe war.
Nach den Ereignissen im Juli 2008 war in russischen Zeitungen zu lesen, dass der hochverdiente Nikita Iwanowitsch Kopejew bei einem missglückten Raubüberfall auf seinem Landsitz ums Leben gekommen sei. Seine Frau Sonja Michajlowna Kopejewa habe überlebt und sei in tiefer Trauer.
Manchmal telefoniert Sascha mit Irina, die inzwischen in Moskau für eine große Zeitung arbeitet.
Domorows Visitenkarte trägt er in seinem Portemonnaie immer mit sich. Benutzt hat er sie noch nie.
Personenverzeichnis
Ilja Wassiljewitsch Grenko – Geiger aus Moskau
Galina Petrowna Grenko – seine Frau, Schauspielerin am Moskauer Mchat-Theater
Pawel Iljitsch Grenko und Ossip Iljitsch Grenko – Söhne von Ilja und Galina
Alja Grenko (Tjotja Alja) – Pawels Frau, Sascha Grenkos Tante in Almaty
Sascha (Alexander Ossipowitsch) Grenko – Enkel des Ilja Grenko
Viktoria (Vika) Freimann – Saschas Schwester
Professor Michail Michajlowitsch Meschenow – Ilja Grenkos Lehrer am Konservatorium
Sonja Michajlowna Kopejewa
Weitere Kostenlose Bücher