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Der Geist des großen Büffel

Der Geist des großen Büffel

Titel: Der Geist des großen Büffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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verkrampfte
Faust des Erstarrten. Da ging eine plötzliche Verwandlung mit den
Fackelträgerinnen, mit den Tänzern, mit dem hüpfenden Medizinmann vor. Sie
versteinerten augenblicklich zu leblosen Wesen, und zwar in genau der Stellung,
die sie gerade eingenommen gehabt hatten. So stand der eine mit angehobenem
Fuß, der andere mit verdrehtem Kopf, ein dritter mit vorgebeugtem Oberkörper.
    Unser
Häuptling schaute empor zum Mond. Er sagte laut: „Häuptling Großer Büffel, ich
rufe dich!“ Die Wolke riß auf — und ich schwöre, sie hatte die Gestalt des
Geistes — , ein heller Schein fiel auf das Gesicht des
Toten. Häuptling Blinde Kuh packte zu, willig öffnete sich die geballte Faust,
leicht ließ sich der Verstorbene Pfeil und Bogen wegnehmen. Häuptling Blinde
Kuh hielt sie hoch über sein Haupt.
    Da
richtete sich der Leichnam starr zu sitzender Stellung auf, öffnete die Augen,
rief dumpf: „Endlich!“, und wie ein Spuk verschwand alles. Der Tote, die
tanzenden Indianergeister, der Medizinmann, die Totempfähle — alles. Sogar die
Feuer waren erloschen. Und der Strom rauschte nicht mehr, er war vertrocknet.

Ich mache mir einen neuen Feind
     
    Die
plötzliche Stille des verlassenen Dorfes mit seinen zerfallenen Hütten wirkte
auf uns fast noch gespenstischer als der Lärm, die Gesänge, die Tänze und das
Geschrei zuvor. In der Ferne hörten wir Wölfe heulen, und dicht neben mir
stürzte die vermoderte Wand einer Hütte zusammen.
    Das
Dorf war kein Erholungsort. Wir kehrten in unser Lager zurück. Da lehnte Cookie
Pott am Wagenrand. Auf seiner Stirn glänzten Schweißtropfen. „Teufelsspuk!“
jammerte er. Mich ließ der Gedanke an den toten Häuptling nicht los. Ich nahm
Onkel Berni beiseite und fragte ihn: „Kannst du mir sagen, was dies alles zu
bedeuten hatte? Daß die Sangeskunst der Bären mittels ihrer drei Haare auf
unseren Freund übergeht, leuchtet meinem nüchternen Gehirn ja gerade noch ein —
aber diese Veranstaltung...“
    „Das
ist wahrhaftig eine krause Geschichte, ein Indianermärchen. Der Häuptling war
ein grausamer Mann. Er schoß alles, was ihm vor die Augen kam, nur um zu töten.
Er tötete seine Frau, Tochter und Söhne. Er tötete Tiere auch dann, wenn er keinen
Hunger hatte, sogar die heiligen Truthähne. Da wurden die Überirdischen zornig.
Sie nahmen ihm und seinem ganzen Volk das Leben. Sie verzauberten seinen Pfeil
so, daß dieser nie mehr töten konnte. Nun war sein Volk verdammt, allnächtlich
seine Totenfeier abzuhalten, bis ein Liebender diesen Pfeil aus Liebe — also um
des Lebens willen — benutzen muß. Dadurch können alle erlöst werden.“
    „Höchst
sonderbar“, fand ich.
    Unser
Häuptling mit dem verzauberten Pfeil und Bogen hielt sich abseits. Er legte
sich still unter eine Tanne. Ich weiß nicht, ob er schlief, ich tat es
jedenfalls — aber durch meine Träume tobten fieberhaft die wilden Gestalten.
    Mit
Erleichterung begrüßte ich die strahlende Sonne des kommenden Morgens. Wie klar
standen die Büsche und Bäume um uns.
    Leider
täuschte der Frieden.
    Onkel Rab tätschelte Pfefferkorn, als ich sah, wie seine
Kaninchenohren durch die Löcher der Hutkrempe unruhig in Bewegung gerieten.
    Im
gleichen Augenblick schwirrte ein Pfeil haarscharf an meinem linken Ohr vorbei
und fuhr hinter mir in einen Baumstamm.

    „Das
war knapp, lieber Mac“, kreischte Tante Turkie .
    Cookie
Pott spannte geistesgegenwärtig mein Schirmgewehr auf und hielt es schützend
vor mich. Häuptling Blinde Kuh aber verschwand mit dem Satz eines Panthers im
Unterholz, wo wir ihn leise: „ Uffuff !“ rufen hörten.
Dann schleppte unser Freund einen Kerl herbei, dem er die Arme auf den Rücken
drehte. Sein schlanker Körper war nackt, er trug nur einen Lendenschurz, und
sein Schädel war bis auf einen winzigen Mittelzopf kahlgeschoren. Am ganzen
Körper hatte er sich schwarz gefärbt, nur das Gesicht glänzte in einem
teuflischen Rot mit vielen blauen Streifen.
    Am
Baum steckte der Pfeil mit federndem Schaft, und an dem Schaft war ein Zettel
befestigt, ein Zettel aus graubraunem Papier. Sein Text war ungelenk, er
strotzte von Schreibfehlern.
    Als
ich ihn entziffert hatte, sah man mir mein Erschrecken wohl an. „ Mylord brauchen einen Tee zur Stärkung?“ fragte Cookie.
    „Ein
Tee dürfte kaum ausreichen“, rief ich. „Das ist eine Botschaft des Tödlichen
Colts. Der Gauner schreibt: ,Lord Schlotterhemd! Habe
Little Byrd und Zirkus-Joe erwischt. Postkutscher liegt mit

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