Der gelbe Tod
für diese überaus wichtige Entdeckung zukommen lassen«, fuhr Hawberk fort. »Und ich habe die Absicht, bekanntzumachen, daß ihm das Recht auf den Ruhm dafür zusteht.«
»Er wird Ihnen dafür nicht danken«, antwortete ich scharf, »bitte erwähnen Sie es nicht.«
»Wissen Sie, was es wert ist?« sagte Hawberk.
»Nein, vielleicht fünfzig Dollar.«
»Es wird auf fünfhundert geschätzt, aber der Besitzer der ›Wappengeschmückten‹ will demjenigen, der seine Rüstung vervollständigt, zweitausend Dollar zahlen. Diese Belohnung steht auch Mr. Wilde zu.«
»Er will sie nicht haben! Er lehnt sie ab!« antwortete ich ärgerlich. »Was wissen Sie über Mr. Wilde? Er braucht das Geld nicht. Er ist reich – oder wird es jedenfalls sein –, reicher als jeder andere, außer meiner eigenen Person. Was soll Geld dann für uns bedeuten – was wird es uns bedeuten, ihm und mir, wenn – wenn –«
»Wenn was?« fragte Hawberk erstaunt.
»Sie werden sehen«, erwiderte ich und war jetzt wieder auf der Hut.
Er sah mich eindringlich an, ähnlich wie Dr. Archer es zu tun pflegte, und ich wußte, daß er dachte, ich hätte den Verstand verloren. Vielleicht war es ein Glück für ihn, daß er in diesem Moment nicht das Wort verrückt in den Mund nahm.
»Nein«, beantwortete ich seinen unausgesprochenen Gedanken, »ich bin nicht geistesgestört. Mein Verstand ist so gesund wie Mr. Wildes. Ich möchte Ihnen jetzt noch nicht erklären, was ich in den Händen habe, aber es ist eine Investition, die sich mehr auszahlen wird als pures Gold, Silber oder wertvolle Steine. Es wird das Glück und den Reichtum eines Kontinents – ja, einer Hemisphäre sichern!«
»Oh«, sagte Hawberk.
»Und vielleicht«, fuhr ich ruhiger fort, »wird es das Glück der ganzen Welt sichern.«
»Und zufällig auch ihr eigenes Glück und ihren Reichtum, ebenso wie Mr. Wildes?«
»Genau«, lächelte ich. Aber ich hätte ihn erwürgen können für den Ton, den er anschlug.
Er sah mich eine Weile an und sagte dann sehr freundlich: »Warum kehren Sie nicht ihren Büchern und Studien den Rücken, Mr. Castaigne, und unternehmen eine Wanderung irgendwo in den Bergen oder wo auch immer? Sie waren doch ein begeisterter Angler. Machen Sie ein paar Forellenfischzüge in den Rangeley-Bergen.«
»Ich mache mir nichts mehr aus dem Angeln«, erwiderte ich ohne die geringste Verärgerung in der Stimme.
»Sie waren von allem begeistert«, fuhr er fort, »Leichtathletik, Segeln, Schießen, Reiten –«
»Ich mache mir nichts mehr aus dem Reiten seit meinem Sturz«, sagte ich ruhig.
»Ach ja, Ihr Sturz«, wiederholte er und wandte den Blick ab.
Ich war der Meinung, daß dieser Unsinn jetzt weit genug gegangen war, darum lenkte ich die Unterhaltung wieder auf Mr. Wilde. Aber er sah mir wieder forschend ins Gesicht, in einer Art, die höchst beleidigend auf mich wirkte.
»Mr. Wilde«, wiederholte er, »wissen Sie, was er heute nachmittag getan hat? Er kam die Treppe herunter und nagelte ein Schild neben das meine über die Eingangstür. Es lautete:
MR. WILDE
WIEDERHERSTELLER DES GUTEN RUFES
3. KLINGEL
Wissen Sie, was ein Wiederhersteller des guten Rufes sein könnte?«
»Ich weiß es«, erwiderte ich, indem ich meine Wut unterdrückte.
»Oh«, sagte er wieder.
Louis und Constance kamen herbeigeschlendert und hielten an, um zu fragen, ob wir uns ihnen anschließen wollten. Hawberk sah auf seine Uhr. Im selben Moment stieg ein Rauchwölkchen aus den Fensterluken des Castle Louis, und das Dröhnen der Abendböller rollte über das Wasser und wurde von dem gegenüberliegenden Hochland zurückgeworfen. Die Flagge wurde am Fahnenmast heruntergelassen, die Hörner dröhnten von den weißen Decks der Kriegsschiffe, und das erste elektrische Licht blitzte am Jersey-Ufer auf.
Als ich mit Hawberk in die Stadt zurückkehrte, hörte ich Constance Louis etwas zuflüstern, das ich nicht verstand, aber Louis flüsterte zurück: »Mein Liebling«, und wieder hörte ich, während ich mit Hawberk über den Platz vorausging ein Gemurmel, das wie »mein Schatz« und »meine Constance« klang, und ich wußte, daß die Zeit fast gekommen war, ein ernstes Wort mit meinem Vetter Louis zu reden.
III
An einem Morgen Anfang Mai stand ich vor dem Stahlsafe in meinem Schlafzimmer und probierte die goldene, juwelenbesetzte Krone auf. Die Diamanten sprühten Funken, als ich mich zum Spiegel wandte, und das schwere, gehämmerte Gold leuchtete wie ein Heiligenschein um
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