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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert W. Chambers
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meinen Kopf. Ich dachte an Camillas verzweifelten Schrei und die furchtbaren Worte, die durch die düsteren Straßen von Carcosa hallten. Sie bildeten die letzten Zeilen des ersten Aktes, und ich wagte nicht, daran zu denken, was darauf folgte – wagte es nicht, selbst im Frühlingssonnenschein, hier in meinem eigenen Zimmer, umgeben von vertrauten Gegenständen, beruhigt durch das geschäftige Treiben auf der Straße und die Stimmen der Bediensteten draußen im Korridor. Denn diese vergifteten Worte waren langsam in mein Herz eingedrungen, wie Todesschweiß in die Bettücher dringt und aufgesogen wird. Zitternd nahm ich das Diadem vom Kopf und trocknete meine Stirn. Aber ich dachte an Hastur und an meinen eigenen berechtigten Ehrgeiz, und ich erinnerte mich an Mr. Wilde, wie ich ihn zuletzt verlassen hatte, mit seinem von den Klauen des Teufelsbiestes zerkratzten und blutigen Gesicht, und was er gesagt hatte – oh, was er gesagt hatte! Die Alarmglocke im Safe begann, schrill zu läuten, und ich wußte, daß meine Zeit um war. Ich schenkte dem aber keine Aufmerksamkeit, und indem ich den glitzernden Reif um meine Stirn legte, wandte ich mich trotzig zum Spiegel. Ich stand lange Zeit vom wechselnden Audruck meiner eigenen Augen gefangen. Der Spiegel zeigte ein Gesicht, das wie mein eigenes aussah, aber weißer und so schmal, daß ich es kaum erkannte. Und die ganze Zeit über wiederholte ich immer zwischen zusammengepreßten Zähnen: »Der Tag ist gekommen! Der Tag ist gekommen!«, während die Alarmglocke im Safe schrillte und lärmte, und die Diamanten blitzten und leuchteten über meiner Stirn. Ich hörte, wie eine Tür geöffnet wurde, beachtete es aber nicht. Erst, als ich zwei Gesichter im Spiegel sah – erst als ein anderes Gesicht sich von meiner Schulter abhob und zwei andere Augen meinen begegneten. Ich schnellte herum wie ein Blitz und ergriff ein langes Messer von meinem Toilettentisch, und mein Vetter prallte sehr bleich zurück und rief; »Hildred! Um Gottes Willen!« Als ich dann meine Hand sinken ließ, sagte er: »Ich bin es, Louis, erkennst du mich nicht?« Ich stand schweigend da, Um nichts in der Welt hätte ich reden können. Er ging auf mich zu und nahm mir das Messer aus der Hand.
    »Was hat das alles zu bedeuten?« fragte er mit freundlicher Stimme. »Bist du krank?«
    »Nein«, erwiderte ich, aber ich bezweifle, daß er mich hörte.
    »Komm, alter Junge«, rief er, »nimm diese Messingkrone ab und troll dich ins Arbeitszimmer. Gehst du auf einen Maskenball? Was hat dieser Theaterflitter überhaupt zu bedeuten?«
    Ich war froh, daß er glaubte, die Krone sei aus Messing und Straß, aber das machte ihn mir keine Spur sympathischer. Ich ließ zu, daß er sie mir aus der Hand nahm, weil ich wußte, daß es das beste war, um ihn bei Laune zu halten. Er warf das kostbare Diadem in die Luft, und indem er es wieder auffing, wandte er sich lächelnd zu mir um.
    »Es ist für fünfzig Cents noch zu teuer«, sagte er. »Wozu ist es gut?«
    Ich antwortete nicht, sondern nahm ihm den Reif aus der Hand, und nachdem ich ihn in den Safe zurückgelegt hatte, schloß ich die schwere Stahltür. Der Höllenlärm der Alarmglocke erlosch sofort. Louis betrachtete mich neugierig, schien aber das plötzliche Verstummen der Alarmglocke nicht zu bemerken. Er sprach jedoch von dem Safe als einer Keksdose. Da ich befürchtete, daß er versuchen würde, die Kombination herauszufinden, führte ich ihn ins Arbeitszimmer. Louis warf sich aufs Sofa und schlug mit seiner unvermeidlichen Reitpeitsche nach Fliegen. Er trug seine Dienstuniform mit der tressenbesetzten Jacke und der schnittigen Kappe, und ich bemerkte, daß seine Reitstiefel über und über mit rotem Schlamm bespritzt waren.
    »Wo warst du«, fragte ich.
    »Bin in schlammigen Flußläufen in Jersey herumgesprungen«, sagte er. »Ich hatte noch keine Zeit, mich umzuziehen. Ich hatte ziemliche Eile, dich zu besuchen. Hast du nicht etwas zu trinken? Ich bin todmüde, bin vierundzwanzig Stunden nicht aus dem Sattel gekommen.«
    Ich gab ihm Brandy aus meinem Medizinschrank, den er mit einer Grimasse hinuntertrank.
    »Verdammt mieses Zeug«, bemerkte er. »Ich werde dir eine Adresse sagen, wo Brandy verkauft wird, der auch Brandy ist.«
    »Es ist gut genug für meine Zwecke«, sagte ich gleichgültig. »Ich habe es gebraucht, um mir die Brust einzureiben.« Er starrte vor sich hin und schlug wieder nach einer Fliege.
    »Hör zu, alter Knabe«, begann er, »ich

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