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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Brücke, verschwand in den weiten Tannenwäldern und strebte seinen kleinen Paradiesen zu.
    Stunden waren inzwischen vergangen, und es kam der Moment, in welchem der Zug in Richtung Mühlheim den kleinen Bahnhof verließ. Am Fenster eines Abteils stand ein weinendes, zartes Mädchen mit wirren schwarzen Locken und blickte auf die entschwindende Stadt zurück, auf alle Träume und auf alles Glück. Und als der Zug um den Fuß eines Hügels bog und ihren Augen dadurch das Bild der Türme entzogen wurde, lehnte sie das tränennasse Gesicht an die Scheibe und malte mit dem Finger in den Beschlag des Fensters: Heinz … Heinrich … Robert …
    Diese Dreieinigkeit fand aber nicht ihren Gefallen. Sie mußte sich entscheiden und tat dies, indem sie mit dem Finger ›Heinrich‹ und ›Robert‹ durchkreuzte. Stehenblieb ›Heinz‹. Nicht lange, denn der Fahrtwind trocknete den Beschlag des Fensters, und dadurch verschwand auch noch der letzte Name. Der Vorgang schien symbolisch zu sein, kennzeichnend für das weitere Leben der traurigen Lucia Jürgens.
    Robert Sorant ahnte das, als er von der Höhe ins Tal blickte und den kleinen Zug puffend verschwinden sah.
    »Lucia …«, murmelte er. Und wieder nur: »Lucia …«
    Dann drehte er sich schroff um, so, als reiße er sich los von allem, und eilte durch Gebüsch und brechendes Gehölz auf der anderen Seite des Hügels hinunter, jenem Platz entgegen, wo beinahe der Tod nach ihm gegriffen hätte.
    Als er auf die Steine des Ufers trat, sah er einen Mann mit einem Strohhut auf dem mächtigen Baumstamm sitzen, der zur Bildung des kleinen Inselchens geführt hatte. Der Mann kehrte ihm den Rücken zu und hielt eine lange Angelgerte in der Hand.
    Sorant war durchaus nicht von diesem Anblick begeistert. Er wollte allein sein, allein mit sich und der Natur und seinen Gedanken, und es bereitete ihm ein ausgesprochenes Unbehagen, die Erfüllung seines Wunsches von der Anwesenheit eines Fremden durchkreuzt zu sehen.
    Es war aber gar kein Fremder.
    Robert wollte unbemerkt wieder kehrtmachen, doch das Knirschen der Kiesel unter seinen Schuhen war dem Angler, der sich umwandte, nicht entgangen.
    »Ach, Sie sind's!« stieß Robert hervor.
    »Guten Tag, mein Herr«, antwortete, diszipliniert wie immer, der Kellner Martin Eisner aus der ›Post‹.
    »Guten Tag. – Sie fischen?«
    »Sehr gern, wenn ich frei habe.«
    »Dann will ich Sie nicht stören.«
    Ehe Sorant einen Gruß aussprechen und sich umdrehen konnte, um sich wieder zu entfernen, sagte Eisner: »Sie stören mich nicht. Die Natur ist für alle da. Außerdem bin ich keiner, der unbedingt etwas fangen will, sondern mir tut eigentlich jeder Fisch leid, der am Haken zappelt. Das ist ein Zwiespalt in meinem Herzen – einer von mehreren.«
    Robert war überrascht, das von einem Angler zu hören. Zögernd kam er näher.
    »Und warum machen Sie's dann trotzdem?« fragte er.
    »Die Wissenschaftler sagen, das Schmerzempfinden wirbelloser Tiere sei minimal, nicht zu vergleichen mit dem unseren.«
    »Glauben Sie das?«
    Eisner zuckte mit den Achseln.
    »Ich weiß nicht. – Glauben Sie's?«
    Robert zuckte ebenfalls.
    »Ich weiß auch nicht.«
    Nach einer kleinen Pause sagte Eisner, auf den Platz neben sich weisend: »Wollen Sie sich setzen?«
    »Wenn Sie gestatten«, antwortete Robert und machte es sich auf dem Baumstamm bequem. Übung darin hatte er ja schon.
    Eisner kurbelte die Schnur ein und legte die Gerte auf den Stamm. Er schien wirklich keiner zu sein, der darauf versessen war, ein Gewässer leerzufischen.
    »Kamen Sie zufällig hierher?« fragte er Robert. »Oder kannten Sie das Plätzchen schon?«
    »Ich kannte es schon.«
    Martin Eisner schaute lächelnd herum, blickte auf alles, auf das Wasser, das bewachsene Ufer, die Bäume, den Himmel. Seine Augen glänzten. Mit einer umfassenden Handbewegung sagte er: »Schön, nicht?«
    »Schön«, nickte Robert.
    Plötzlich fiel dem Kellner etwas ein, das ihn dazu veranlaßte, eine Einschränkung zu machen.
    »Oder hatten Sie etwa hier Ihren Unfall?« fragte er.
    »Davon wissen Sie?« erwiderte Robert erstaunt.
    »Alle wissen davon.«
    »Ja, das war hier – dort, beim Wehr«, präzisierte Robert, flußabwärts zeigend.
    Kopfschüttelnd meinte Eisner: »Man möchte nicht glauben, was alles passieren kann. Zum Glück konnten Sie sich noch einmal retten.«
    »Es wäre mir nicht gelungen ohne die Hilfe von Fräulein Jürgens.«
    Viel lieber hätte Robert ›von Lucia‹ gesagt, aber

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