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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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lächerlich der moosgrüne Strass, wie billig das teure Kleid, nein, sie wusste den Namen nicht mehr und, sorry, den Namen des Traiteurs auch nicht mehr. Fragen Sie den Papa. Jetzt muss ich mich umziehen, Viktor den Pulli zurückgeben, oder auch nicht, ich hole zunächst mein Bandoneon. Wir sollten auch Gert und seine Gäste fotografieren, es ist sein Tag, sein letzter aktiver Tag, dann haben wir es hinter uns. Wir machen ein Foto, sagte sie lachend in die Runde, gruppiert euch um Gert, Nora wird fotografieren. Wir machen ein Foto für die Ewigkeit, damit diese Stadt, diese Welt sich an uns erinnert. Gert schaute zögernd, ach du und deine Fotos! Aber alle begannen, sich um ihn zu scharen. Sie gruppierten sich um Gert, ein Herr nahm Henrietta an die Hand, sie solle sich neben Gert stellen, lächeln, bitte, sagte die Tochter, die das Foto schoss, während Moira die Gruppe und die Fotografin filmte. Dann wollten alle Handy-und Kamerabesitzer ein Gruppenfoto machen, da aber jeder ein Handy oder eine Kamera besaß, gab es bald keine Gruppe mehr und es wurde hier und da fotografiert, wild geschossen, Henrietta hörte ein universales Klicken, eine Folge von metallischen Geräuschen, sie entfernte sich, jetzt überfordert von einem Heer von schwarzen Pinguinen, die mit dem Schnabel klackten. Ich möchte mich ausradieren, sterben ist eine Lösung, wegfliegen, sich wie Pollen auf die kahlen Köpfe der Herren setzen, in die Ohrmuscheln der Damen, in ihren Dekolletés verschwinden. Sie sah sich deutlich mit zwei riesigen Flügeln, wie sie sich erhob und schnurgerade zum Horizont flog, einem tintenblauen Horizont, der Himmel fühlte sich kalt und blau an, ihre Flügel schnitten ihn und Henrietta spürte den Kristall, den sie mit diesen Flügeln durchdrang, die Luft wurde immer kälter und reiner, sie fror aber nicht, ich erreiche andere Sphären, bin definitiv abgehaut, und sie sah tatsächlich, wie sie ihr Leben hinter sich ließ, fünfundfünfzig Jahre ihres tragikomischen Lebens, sie sah, wie sie in der Praxis nach dem Aufräumen abends als letzte die Zeitschriften ordnete, die Rollläden runterließ, sie stand auf der Bühne neben Gert, sie selbst als trauriger Clown mit dem Bandoneon, Gert selbst hatte ihr eine schwarze Träne auf die Wange gemalt, jetzt brachte sie ihre kleine Tochter zur Schule, schlichtete einen Streit mit einer kleinen Nachbarin im Sandkasten, die Tochter wurde beschuldigt, eine Muschel geklaut zu haben, ach, nee, sie war selbst die kleine Diebin, und ihre eigene Mutter schleppte sie nach Hause, warte mal ab, bis der Papa kommt, jetzt fuhr sie mit der Klasse Schlittschuh in einer Eishalle, sie fiel, hatte ein blutiges Knie, die Halle war zu eng, zu viele Leute fuhren da, sie saß im Stadtgarten mit einem roten Röckchen, roten neuen Socken, und ein Mann ihr gegenüber öffnete den Schlitz seiner Hose und zeigte ihr eine weiße dicke Wurst, weder Wurm noch Wurst, kein schönes Stück, aber was war das für ein Ding? Als der Mann sie anguckte, erschrak sie, sie lief weg. Sie traute sich nicht, ihren Eltern davon zu berichten, aus Angst, sie dürfte nicht mehr in den Park mit dem Roller, jetzt ist sie noch jünger, sieben oder acht, ihre Mutter schüttelt sie gegen die Wand und schreit, ich bring dich um, du Miststück, ihr Vater ohrfeigt sie, sie ist gewachsen, vierzehn, sie flieht, er hinterher, er holt sie auf der Straße ein und verprügelt sie nicht, Leute schauen zu, jetzt steht sie vor dem Zimmerschrank, sie hat ihr Nachthemd ausgezogen, achtjährig, sechsjährig? Sie friert, ihre Mutter kommt und nimmt das Nachthemd mit, der Kleiderschrank ist aber leer, die kleine Kommode mit der Unterwäsche auch, die Mutter hat alle Kleidungsstücke weggebracht. Sie sagt: Jetzt weißt du, wie das Leben wäre ohne Mutter, die arbeitet und alle diese Sachen kauft und sauber hält. Ihr Vater lacht, gibt ihr einen freundlichen Klaps auf den Hintern und fragt: Fühlst du dich wohl in deiner Haut? Sie muss nackt frühstücken, sich in der Wohnung nackt bewegen, bevor sie Stück für Stück ihre Klamotten wieder erhält. Jetzt weißt du, wie es ist, ein nackter Wurm zu sein, keine Eltern zu haben. Wer niemanden hat, ist nackt, nackt, nackt. Wirst du jetzt auf deine Sachen aufpassen? Weißt du, was uns ein Hemd kostet? Ihr Bruder will sie fotografieren, heimst aber eine Ohrfeige ein. Geschieht ihm recht. Dann ein Loch, alles Dunkel, ein Schlüsselrasseln.
    Kopfschmerzen. Sie fror, aber sie hatte Viktors Pulli um ihren

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