Der Gesang der Maori
und
Glas gewesen â er hätte sich unter der Last gebogen. Er deutete auf einen Stuhl
auf der anderen Seite und sah sie aus seinen wachen Augen an. Auf seinem
Gesicht zeigte sich nicht einmal die Spur eines Lächelns. Katharina rutschte
ungemütlich mit ihrem Hintern hin und her. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen,
bis er endlich etwas sagte.
»Sie haben gestern von diesem Film erzählt. Dieser groÃen
Verfilmung. Peter Jackson. In Neuseeland.«
Katharina nickte. »Ja. Das ist wirklich eine groÃe Sache, jede Menge
toller Schauspieler wollen da mitmachen â und die Drehorte werden jetzt schon
vorbereitet, obwohl das erst in einem Jahr wirklich losgehen soll. Da dachte
ich, dass man vielleicht rechtzeitig berichten müsste. Es gibt doch so viele
Tolkien-Fans, keiner glaubt, dass dieser Jackson das hinkriegt. Ich meine,
allein die vielen Landschaften, die Tolkien beschrieben hat, die sind so etwas
von verwunschen â¦Â« Sie brach ab. Das hatte sie alles gestern schon in der
Konferenz erzählt, es gab keinen Grund, es jetzt noch einmal zu wiederholen.
Der Alte sah sie mit einem belustigten Lächeln an. »Ja, ich erinnere
mich daran, was Sie gesagt haben. Sie haben da schon einmal gelebt?«
»Ja. Ein knappes halbes Jahr, während meines Studiums. Das ist jetzt
drei Jahre her, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da viel verändert
hat. Neuseeland ist ein Stück gemütlicher und etwas langsamer als Deutschland.«
Katharina sah ihren Chefredakteur neugierig an. Was hatte er nur im Sinn?
»Das glaube ich Ihnen gerne. Sie sollen das trotzdem überprüfen. Ich
möchte, dass Sie hinfahren und mal nachsehen, wo und wie diese Kulissen
aufgebaut werden. Wie viele Menschen arbeiten in der Firma von diesem Jackson?
Wie sehen das die Neuseeländer, die nicht direkt beteiligt sind?«
»Ich soll nach Neuseeland fahren?« Katharina musste nachfragen, so
unglaublich kam ihr der Vorschlag vor. »Für eine Reportage? Die ich schreibe?«
Er nickte. »Ja, so habe ich mir das gedacht. Ich gebe Ihnen drei
Wochen, dann haben Sie auch keine Ausrede mit zu wenig Zeit oder Jetlag oder
sonst irgendwas. Und ich hätte gerne jetzt eine Vorberichterstattung â und dann
zum Filmstart auch etwas. Trauen Sie sich das zu?«
Katharina nickte. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie
musste unbedingt Sina anrufen und erzählen, dass sie zu Besuch kommen würde.
Wie war das gerade mit der Jahreszeit? Hier war Herbst â also herrschte
Frühling in Neuseeland. Wie sie wohl einen Kontakt zu dieser Firma von Jackson
hinkriegte? Das musste einfach funktionieren. Ob die Sekretärin sich um den
Flug kümmern würde?
Erst in diesem Moment bemerkte sie, dass der Chefredakteur sie immer
noch belustigt ansah. »Ihre erste groÃe Auslandsreportage, richtig? GenieÃen
Sie es. Frau Schaller bucht Ihnen den Flug. Viel Spaà â und ich freue mich
darauf, die Geschichte zu lesen!«
Damit winkte er ihr zu und wandte sich wieder dem Stapel von
Papieren auf seinem Schreibtisch zu. Sah nach langweiligen Rechnungen aus, Katharina
war froh, damit nichts zu tun zu haben. Sie brachte ein »Danke!« heraus und
stolperte aus seinem Büro.
»Ich brauche einen Flug nach Neuseeland!«, platzte sie bei seiner
Sekretärin heraus. »Ich muss zu den Dreharbeiten vom âºHerrn der Ringeâ¹.«
Frau Schaller war wenig beeindruckt, griff nach einem Zettel und
meinte nur: »Wann? Was ist da genau der Zielflughafen? Haben Sie Ihre Reiseunterlagen
schon zusammen â oder benötigen Sie Impfungen?«
Katharina bemühte sich, ihre Begeisterung ein wenig zu zügeln und
ein geschäftsmäÃiges Auftreten an den Tag zu legen. »Ein Flug nach Christchurch
wäre gut, am besten Anfang November, also in zwei Wochen, bis dahin habe ich
alles Weitere abgeklärt. Impfungen sind in Neuseeland zum Glück überflüssig.«
Die Sekretärin nickte. »Ich kümmere mich darum. Irgendwelche Wünsche
zur Unterkunft?«
Katharina dachte einen Moment nach. »Das organisiere ich mir selbst.
In Christchurch lebt eine Freundin von mir, da werde ich wahrscheinlich
übernachten können â¦Â«
»Privatübernachtungen können Sie mit sechzig Mark in Rechnung
stellen, vergessen Sie das nicht bei der Reiseabrechnung«, erklärte die Frau
noch. »Benötigen Sie einen
Weitere Kostenlose Bücher