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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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sie
verschwand am helllichten Nachmittag in die Pressevorführungen von Kinofilmen,
die erst Wochen später für das Publikum zu sehen waren. Ein Traumleben!
    Da musste Tom doch verstehen, dass
sie im Moment keinen dreimonatigen Rucksackurlaub quer durch Lateinamerika
planen konnte. Schön, wenn Tom endlich ordentlich Spanisch lernen wollte – da
musste sie ja nicht unbedingt mit dabei sein. Aber Tom wollte das nicht
verstehen. Immer wieder hatte er sie mit seinen blassblauen Augen angesehen und
erklärt: »Das war doch unser gemeinsamer Traum, Schatz. Erinnerst du dich
nicht?«
    Katharina hatte genickt. »Ja. Aber während du auf deinen Traum
gewartet hast, ist mir das echte Leben begegnet. Ich habe einen Traumjob, mein
Chef mag meine Arbeit …«
    Sie kam nicht mehr dazu, diesen Satz zu beenden. Tom war mitten im
Gespräch aufgestanden, hatte ihr seine Hand auf die Schulter gelegt und sie mit
bedeutungsvoller Miene angesehen: Ȇber eines musst du dir im Klaren sein: Wenn
dir deine Karriere so wichtig ist, dann gibt es keine gemeinsame Zukunft mehr
für uns. Kletter weiter deine Leiter hoch – und ich wünsche dir, dass es da
oben nicht zu einsam wird.«
    Typisch Tom. Immer noch einen extrabedeutsamen Spruch auf den
Lippen. Er würde sich wahrscheinlich in hundert Jahren noch wie ein ewiger
Student benehmen, auf einer Matratze auf dem Boden schlafen, weit nach
Mitternacht ins Bett gehen und Maultaschen von Aldi für eine Gourmetspeise
halten.
    Katharina hatte sich in den letzten Monaten von diesem Leben
verabschiedet. Vor ihr lag eine glänzende Zukunft als Journalistin, sie hatte
ihre Jeans gegen dunkle Hosenanzüge getauscht und fühlte sich wohl mit Pumps
und Diktiergerät. Ihre Zeit als Studentin war für sie definitiv vorbei. Ebenso
die Zeit der monatelangen Rucksackreisen. Obwohl sie das insgeheim vermisste –
die vollkommene Freiheit gab es nur mit Rucksack auf dem Rücken und dem Daumen
im Wind an irgendeiner entlegenen Landstraße der Welt. Sie war allerdings
vernünftig genug, um zu wissen, dass man so nicht ewig weiterleben konnte. Im
Gegensatz zu Tom.
    Sie schaltete den Computer an und sah aus dem Fenster, während der
Rechner mit einem Tusch verkündete, dass er die Arbeit aufnahm. Der Büroturm
des Nachrichtenmagazins bot eine unglaubliche Sicht bis zu den Alpen, die heute
direkt hinter München in den Himmel ragten. Wer brauchte schon Urlaub, wenn er
so einen Arbeitsplatz hatte? Oder einen Freund? Der Nächste wartete bestimmt um
die Ecke! Und sie würde dafür sorgen, dass er auch Verständnis für ihren
stressigen Job hatte!
    In diese Gedanken hinein klingelte das Telefon. Ein Blick auf das
Display verriet ihr: ein interner Anruf. Die Chefredaktion. Das war
ungewöhnlich – der Alte hatte noch nie bei ihr angerufen. Was das wohl bedeuten
mochte? War er unzufrieden? Seine Sekretärin war wie immer kurz angebunden.
»Kommen Sie eben zu uns, Frau Krug?« Katharina legte mit einem Stirnrunzeln
auf.
    Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch machte sie sich auf den Weg. Fast
fühlte es sich so an wie damals, als der Schulrektor sie zu sich gebeten hatte.
Damals war es nur um einen Verweis gegangen – jetzt konnte es sein, dass ihre
Karriere auf dem Spiel stand. Sie ging in Gedanken die letzten Tage in der
Redaktion durch. Was hatte sie getan, das den Unmut des Alten auf sich hätte
ziehen können? Sicher, sie hatte sich gestern in der Konferenz ziemlich weit
aus dem Fenster gelehnt. Es war um die Verfilmung von »Der Herr der Ringe«
gegangen. Die Vorbereitungen waren in Neuseeland angelaufen, und Katharina
hatte davon erzählt, dass sie in diesem Teil der Welt monatelang gelebt hatte –
und dass man dieses Mammutwerk im Blick behalten müsse, um nicht als Letzter
davon zu berichten. Ganz normales Gerede für einen Redakteur. Dafür konnte er
sie wohl kaum abstrafen. Oder doch?
    Sie schob sich in das Sekretariat des Chefredakteurs. »Da bin ich!«,
lächelte sie. Warum nur wurde sie das Schulmädchen-Gefühl nicht los? Die Sekretärin
sah nicht einmal von ihrer Arbeit auf und machte nur eine winkende Bewegung in
Richtung der offenen Tür zum Büro des Chefredakteurs. »Gehen Sie gleich durch,
er erwartet Sie!«
    Der Alte thronte hinter seinem Schreibtisch, auf dem sich Bücher,
Zettel und Zeitschriften stapelten. Wäre der Schreibtisch nicht aus Stahl

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