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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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muss dich geblendet haben oder glaubst du, mich für dumm verkaufen zu können?“, waren ihre Argumentationen, denen die Händler immer wieder nachgaben, wenn Idras nur laut genug zeterte. Einem anderen, der ihr zwei Schleier für einen ihr viel zu hoch erscheinenden Preis verkaufen wollte, drohte sie mit dem fleischigen Finger. „Ich warne dich Theodenis, Sohn des Inreneus. Bist du nicht oft genug Gast in Nikaretes Haus, sodass du großzügig sein kannst?“ Sie zog Metaneira zu sich hin und schob sie vor den Händler, der mit verschränkten Armen vor ihr stand. „Soll dieses arme Ding etwa keine neuen Kleider bekommen wegen eines Geizhalses wie dir? Die Götter sollen dich strafen.“
    Das Grinsen des Händlers wurde breit. Er beglotzte Metaneira als wäre sie eine Kuh, die zum Verkauf stand.
    Neaira fand, dass er ziemlich dumm aussah.
    „Ich erlasse dir einen Obolus für jeden Schleier“, schlug er vor. „Aber dafür will ich bei meinem nächsten Besuch auch das Mädchen.“
    Idras schob Metaneira wieder ein Stück zur Seite. „Die ist zu teuer für dich. Sie ist eine von Nikaretes Töchtern.
    Aber die Herrin wird sich dir gegenüber bei den anderen Mädchen großzügig zeigen.“
    Der Mann wurde zornig. „Meine Schleier soll ich dir für weniger Obolen überlassen, und im gleichen Augenblick sagst du, dass das Mädchen da zu teuer für mich ist. Wen wundert es da, du alte Halsabschneiderin!“
    Idras zog ungerührt ihren Geldbeutel hervor und zählte dem verärgerten Mann seine Obolen in die Hand. Dann raffte sie die Schleier und drückte sie Neaira in die Arme.
    Drohend beugte sie sich so weit zu ihr hinunter, dass Neaira ihre schlechten Zähne riechen konnte. „Wenn du auch nur einen Zipfel des Stoffes im Sand schleifen lässt, schlag ich dich grün und blau.“
    Geistesabwesend nickte Neaira und raffte die Stoffe fest vor ihre Brust, während Idras sie und Metaneira wieder vor sich herschob. „Die Herrin sagt, dass du fleißig bist“, wandte Idras sich mit unfreundlicher Stimme an Metaneira, während sie sich inmitten der Menschen auf der Agora weiter voranschoben. „Sie sagt, dass du dir als Belohnung etwas aussuchen darfst, doch es soll nicht mehr als einen Obolus kosten.“ Wie um ihre Worte zu unterstreichen, schob sie Metaneira auf einen Stand mit hübschen Schmuckstücken und Salbtiegeln zu. Neaira trottete gelangweilt hinter ihnen her und überlegte fieberhaft wie es ihr gelingen sollte Metaneira zur Flucht zu bewegen, wenn Idras sie nicht aus den Augen ließ. Ihre gemeinsame Flucht hatte sie sich einfacher vorgestellt. Unauffällig sah Neaira sich um und verzog ihren Mund zu einem Schmollen. Sie brauchte zuallererst einen guten Fluchtweg - vielleicht die kleine Gasse hinter dem Tempel oder doch lieber die andere in der entgegengesetzten Richtung? Während Neaira sich umsah, blieb ihr Blick plötzlich auf der sandigen Straße haften. Aufgeregt folgte sie mit den Augen den ungewöhnlichen Fußspuren und nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie ein roter Mantel hinter der Ecke eines Hauses in der schmalen Gasse verschwand.
    Vergessen waren Mänaden, Satyrn und ihre schauerlichen Feste. Erinnerungen und längst vergessene Gefühle erfassten Neaira, während sie wie angewurzelt dastand und auf die Fußabdrücke starrte. Hektisch sah sie sich nach Metaneira um, die mit Idras am Stand eines Händlers um eine Haarspange feilschte. Neaira sah unentschlossen von Metaneira zu der kleinen Gasse, in welcher der rote Mantel verschwunden war. Dann vergaß sie Idras und den Stock in ihrer Hand, sie vergaß sogar Metaneira und wurde endgültig von ihren Sehnsüchten gepackt ... von den Mustern in den Sandalen ihrer Mutter, von dem roten Mantel, den sie an kühlen Tagen getragen hatte, von versprochenen Datteln, die sie nie bekommen hatte. Neaira ließ die Stoffe fallen und rannte los. Mutter! Mutter bitte warte doch auf mich, flehte sie stumm. Obwohl sie den erschrockenen Aufschrei Metaneiras hinter sich vernahm und den wütenden Fluch Idras, zwängte Neaira sich furchtlos zwischen den Leibern der Menschen hindurch.
    Sie verfing sich im Mantel eines Chitons, dessen Besitzer ihr eine Ohrfeige verpassen wollte, entschlüpfte ihm aber und rannte weiter. Sie wusste, dass Idras es mit ihrer Leibesfülle schwer haben würde, ihr zu folgen. Keuchend bog Neaira in die schmale Gasse ein und wusste, dass sie es nicht noch einmal schaffen würde fortzulaufen, falls Idras sie einholte. Wie ein Spürhund folgte Neaira den

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