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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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Fußspuren. Als Nächstes bog sie um eine Häuserecke und lief eine abschüssige Gasse entlang, die von hohen Bäumen gesäumt war. Neaira wunderte sich darüber, dass sie menschenleer war, und konzentrierte sich weiter auf die Fußspuren im sandigen Boden. An einer Gabelung endeten die Fußspuren, da die Gasse ab hier mit Steinen gepflastert war. Als Neaira um die nächste Ecke bog, wäre sie fast auf das nackte Hinterteil eines Mannes geprallt, bevor es ihr gelang sich im letzten Augenblick an der Häuserecke festzuklammern. „Mutter!“ Die Worte kamen Neaira über die Lippen, ehe sie darüber hätte nachdenken können.
    Der Mann vor ihr erschrak und zog fluchend seinen hochgefrafften Kurzchiton über sein nacktes Hinterteil, bevor er seinen Mantel über die linke Schulter warf und sich zu ihr umwandte. Seine Augen hatten etwas Zorniges, das Neaira erschreckte. Ängstlich wich sie vor ihm zurück und erkannte im selben Augenblick, dass er nicht allein war. Eine grell geschminkte Frau, die vor ihm gestanden hatte, zupfte ihren Peplos zurecht.
    „Ist das dein Balg?“, fragte er gereizt, woraufhin die Frau schnell den Kopf schüttelte.
    „Ich kenne das Balg überhaupt nicht, Herr.“
    Neaira erkannte, dass sie einem Irrtum unterlegen war.
    Die Frau mit der grellen Schminke, deren Mund jetzt nervös zuckte, war nicht ihre Mutter – und doch trug sie deren Sandalen! Die fremde Frau drückte sich gegen die Häuserwand und musterte Neaira ohne großes Mitgefühl, während der Fremde mit erhobener Hand auf sie zukam.
    Neaira fühlte sich in ihrem Empfinden aus Entsetzen und Enttäuschung so gelähmt, dass sie die Augen schloss.
    Plötzlich vernahm sie die Stimme Idras hinter sich. Gefolgt von Metaneira schob sie ihre Furcht einflößenden Körpermassen auf sie zu. Auf ihrer Stirn glänzte Schweiß.
    „Halte ein, Herr! Sie ist mir entwischt, diese undankbare Sklavin. Ich werde sie grün und blau schlagen, das verspreche ich dir! Sie ist der Besitz der Herrin Nikarete.“
    Tatsächlich ließ der Mann die Hand sinken, und Neaira fühlte sich von Idras im Nacken gepackt wie ein Hase.
    Beinahe bedauerte sie, dass nicht der Fremde ihr die Trachtprügel verabreichen würde. Niemand konnte schlimmer zuschlagen als Idras – soviel stand fest.
    „Pass besser auf sie auf oder meine Kameraden und ich werden künftig ein besonderes Augenmerk auf das Haus deiner Herrin legen“, rief er verärgert und hielt die Hand auf, in welche ihm Idras großzügig zwei Obolen zahlte.
    Sein überlegener Auftritt ließ keinen Zweifel daran, dass er sein Versprechen wahr machen würde. „Es tut mir sehr leid, Herr! Ich bitte noch einmal um Verzeihung.“
    Er murmelte einen leisen Fluch und bedachte Neaira mit einem letzten bösen Blick, bevor er ein wegwerfendes Zeichen in Idras Richtung machte, damit sie endlich verschwand. Idras ließ sich nicht zweimal bitten und schleifte die sich heftig wehrende Neaira fort. Erst als sie ein ganzes Stück hinter sich gelassen hatten, griff Idras nach ihrem Stock. Schützend legte sich Neaira die Hände vor ihr Gesicht. Metaneira gab einen flehenden Laut von sich. „Idras, bitte schlag sie nicht. Es waren die Sandalen!
    Sie dachte, die Frau wäre ihre Mutter.“ Sie wandte sich an Neaira. „So ist es doch, nicht wahr?“
    Schnell nickte Neaira und klammerte sich an Metaneiras Hand.
    „Sie hat die Herrin zwei Obolen gekostet und beinahe Ärger eingebracht. Mit den jungen heißspornigen Stadtwachen legt man sich besser nicht an! Zudem hat sie die Stoffe fallen lassen, die nun verloren sind, weil ich so schnell hinter ihr herlaufen musste. Meine Herrin war großzügig und hat ihr eine Aussicht auf ein besseres Leben geboten, und so dankt diese kleine Mänade es ihr. Ich habe ihr gesagt, dass dieses Mädchen nur Ärger machen wird, bei den Göttern! Solche Mädchen sind nicht gut ... solche, die mit den Augen lügen können!“ Wieder schickte sich Idras an, mit dem Stock auszuholen.
    „Bitte Idras!“ Metaneiras Augen flehten geradezu. „Es ist meine Schuld.“ Sie machte eine kurze Pause und holte tief Luft. Neaira konnte sehen, dass ihre Freundin Angst hatte weiterzusprechen. „Ich habe ihr doch gar nicht erzählt, was man von ihr erwartet. Sie ist noch so jung.“
    Idras Zorn wandte sich gegen Metaneira. Sie versetzte dem Mädchen drei schnelle, jedoch harte Schläge, unter denen es sich krümmte. „Du nutzlose Sklavin! Hatte die Herrin dir nicht befohlen, das Mädchen vorzubereiten? Ein ganzes

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