Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
Vom Netzwerk:
durch einen dichten Nebelschleier auf sie einreden. „Nur das bewahrt dich davor, so zu werden wie deine Mutter oder die Frau auf der Straße.“
    Dann hörten sie Idras watschelnde Schritte näherkommen. Metaneira rüttelte Neaira an den Schultern.
    „Versprich mir, dass du alles dafür tun wirst nicht so zu werden wie diese Frauen!“
    Neairas Zähne klapperten aufeinander, so fest schüttelte Metaneira sie durch. Auf keinen Fall wollte sie so werden wie ihre Mutter. Überhaupt wollte sie nichts mit Männern zu tun haben, und schon gar nicht mit diesem Ding, das sie mit den Tieren und den Satyrn gemeinsam hatten! Sie umarmte die Freundin. Als Idras die Tür aufstieß und Metaneira mitnahm, jammerte Neaira nicht und versuchte auch nicht, Metaneira festzuhalten. Zu viel ging ihr durch den Kopf, was sie nicht verstand und was ihr kindliches Gemüt erst einmal verdauen musste.

3. Kapitel
    Das Ende der Kindheit
    Neaira saß bis zum Abend allein in der Unterkunft und wartete darauf, dass Idras zurückkam. Doch als es dunkel wurde, war die Schwarze noch immer nicht wieder aufgetaucht. Unruhig rutschte Neaira auf dem Polster herum, da sie ein menschliches Gefühl zu plagen begann.
    Ihre Blase drückte, als hätte sie eine ganze Amphore mit Wasser getrunken. Sie presste die Beine zusammen und versuchte an etwas anderes zu denken. Von den anderen Zimmern im Hof ertönten die ersten Schreie – und sie war allein! Jetzt, da Metaneira ihr so verwirrende Dinge erzählt hatte, die ihr eine Vorstellung davon gaben, was dort draußen vor sich ging, fand sie alles noch schrecklicher als zuvor. Neaira wusste, dass sie nicht die ganze Nacht durchhalten würde. Sie musste einfach pinkeln. Steifbeinig kletterte sie vom Polster und ging zur Tür. Ihr Herz schlug laut gegen ihre Rippen, als sie die Tür einen Spalt weit öffnete und hinaus spähte. Die Geräusche wurden lauter, doch ein prüfender Blick auf den Hof reichte, um zu sehen, dass er leer war. Sie waren in den Zimmern. Wenn sie schnell lief, würde sie vielleicht nicht gesehen werden. Sie musste nur über den Flur und dann ein paar Schritte weiter, bis sie zu dem Hof mit den Sickergruben kam. Beim Gedanken daran begann ihre Blase noch stärker zu drücken. Neaira tat den ersten Schritt und lauschte. Als nichts geschah, rannte sie so schnell sie konnte über den Hof, hinein in den durch Lampen und Feuerbecken beleuchteten Korridor. Um nicht gesehen zu werden, drückte sie sich an die Wände der Flure und lauschte auf die Schritte der Sklaven, die im Haus umhergingen. Es wäre sicherlich nicht gut, wenn sie entdeckt würde. Neairas Sinne waren so darauf ausgerichtet auf die Geräusche zu lauschen, dass sie erschrak und beinahe unter sich gemacht hätte, als sie dem Mann in die Arme lief. Wie angewurzelt blieb Neaira stehen. Langsam legte sie ihren Kopf in den Nacken und starrte in ein Gesicht, das sie auf eine Art anlächelte, die Neaira nicht geheuer war. Unwillkürlich wich sie einen Schritt vor dem Fremden zurück. Der junge Mann trug nur ein Hüfttuch, und seine Augen schienen im Schein des Feuers zu glühen. Ihr lief ein Schauder über den Rücken. Neaira war in diesem Augenblick davon überzeugt, dass er ein Satyr sein musste - jemand dessen Blick so durchdringend war, konnte kein Mensch sein! Was würde er jetzt mit ihr tun? Etwa das, was Metaneira ihr erzählt hatte, das was auch die Hunde auf den Straßen taten? Sich ... vergnügen? Doch er schien nichts dergleichen vorzuhaben, stand einfach nur da und hielt seine Feueraugen auf sie gerichtet. „Hast du dich verlaufen?“, hörte sie ihn fragen.
    Schnell schüttelte Neaira den Kopf und verbarg ihre Angst. Trotzdem musste sie fragen, zumal er keine Hörner, Ziegenohren und soweit sie erkennen konnte auch keinen Pferdeschweif besaß. „Bist du ein Satyr?“
    Sein Lächeln verwandelte sich in ausgelassenes Lachen.
    Neaira meinte vor Angst zu sterben, als seine Hand ihr Kinn berührte. Sie wollte den Blick abwenden, doch konnte es nicht. Er hielt sie gefangen – er war ganz sicher einer von Dionysos Schar!
    „Und wenn ich ein Satyr bin? Fürchtest du dich dann vor mir?“
    Obwohl seine Worte nicht gerade dazu beitrugen, ihr die Angst zu nehmen, schüttelte Neaira trotzig den Kopf.
    Metaneira war fort, ihre Mutter hatte sie verkauft ... sie war vollkommen allein auf dieser Welt. Doch es war besser, ihm ihre Angst nicht zu zeigen. Vielleicht ließ er sie dann in Ruhe und suchte sich ein anderes Opfer. Es gelang Neaira

Weitere Kostenlose Bücher