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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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Freundschaft wieder aufnehmen durften oder nicht. Die Harpyie hatte ihr ein Angebot sowie eine Drohung gleichermaßen unterbreitet.
    Gehorche, und ich werde großzügig sein. Als Neaira zu ihrer Kline zurückgehen wollte, hielt die Freundin sie am Arm fest.
    „Halte dich wenn möglich von Timanoridas fern. Er hat dich ins Auge gefasst.“
    Meinte sie den, bei dem sie am gestrigen Abend gelegen hatte, diesen großen Mann? „Wir sind in ihrer aller Augen, Metaneira. Einer mehr oder weniger, was macht das schon?“
    „Er ist schlimmer als sie alle zusammen“, konnte Metaneira ihr noch zuflüstern, bevor auch sie sich wieder ihrem Begleiter zuwenden musste.
    Bald darauf setzten Neairas Mondblutungen ein. Die Schwarze kam, um Neaira zu erklären wie eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden war – mit einer Salbe aus Bleiweiß, einem unsichtbaren Geheimnis, das sie sich vor dem Zusammentreffen mit den Männern in die Scham einführte. „Bleiweiß ist der Segen und die Verderbnis der Frauen. Es gibt der Haut eine milchig weiße Farbe und zerstört sie, wenn man zu viel davon nimmt. Ebenso verhält es sich beim Verhüten von Schwangerschaften. Zu viel bedeutet den Gifttod, zu wenig eine ungewollte Leibesfrucht.“ Idras wies auf ihr schwarzes Gesicht. „Ich bin froh, dass meine Haut so schwarz ist, dass kein Bleiweiß sie heller machen könnte. Das Bleiweiß wird dich für lange Zeit jung halten, doch irgendwann wird es dich zerstören. Selbst Nikarete will nicht auf mich hören und hellt damit ihre Haut auf. Jetzt ist sie so fleckig, dass sie ohne Bleiweiß das Haus nicht mehr verlassen kann. Aber für dich wird Bleiweiß trotzdem dein bester Freund sein, solange du für Nikarete arbeitest.“
    Wie hätten die Götter in einen Leib, der nichts kannte als Zorn und Hass, ein Leben hineintun können? Neaira tat jedoch, was Idras von ihr verlangte. Sie lernte von ihr, das weiße Pulver mit Fett zu mischen und sich ihre Salben und Schminkpasten selbst anzurühren. Neaira hatte oft versucht zu fliehen, und was hatte es ihr gebracht? Nur noch mehr Hass und Demütigung. Mit Schrecken hatte sie erkennen müssen, dass all die Herren, die sie auf ihre Kline zogen, in ihren eigenen Häusern Töchter hatten, die nicht älter waren als Neaira. Mit Wärme und Zärtlichkeit sprachen sie von ihnen, versteckten sie in Frauengemächern und erwähnten niemals ihre Namen, da es als unziemlich galt. Aber sie kamen in Nikaretes Haus, riefen laut nach Neaira und taten mit ihr Dinge, von denen ihre Töchter nicht einmal wissen durften, dass es sie gab. Sie waren reich, besaßen Macht und Ansehen – wer hätte es ihnen verbieten sollen? Alle, deren Wort so viel Gewicht hatte, dass sie Neaira hätten helfen können, kamen selbst in Nikaretes Haus und zerrten sie auf ihr Lager. Warum also fliehen ... und wohin?
    Als Neaira es schon fast vergessen hatte, kam Idras zu ihr: „Heute Abend wirst du auf der Kline des Herrn Timanoridas liegen!“ Neaira hatte kaum noch an ihn und die Warnung Metaneiras gedacht. Aber was machte es schon, neben wem sie lag? Hipparchos, Xenokleines, Timanoridas - sie waren nur Namen und Körper, nichts weiter.
    Timanoridas empfing sie mit Freundlichkeit auf seiner Speisekline, strich ihr über das Haar und war weniger unangenehm als die anderen, neben denen sie sonst lag.
    Neaira wartete vergeblich auf Metaneira, da sie die Freundin gerne noch einmal gefragt hätte, weshalb sie Timanoridas gefürchtet hatte. Sie erschien nicht, so oft Neaira auch nach ihr Ausschau hielt. Als die Nacht spät wurde, nahm Timanoridas sie schließlich bei der Hand und führte sie in eines der Zimmer. Neaira wäre lieber in ihrem eigenen Bett eingeschlafen, doch sie wusste dass jeder Abend auf der Speisekline eine Nacht auf der Schlafkline mit sich brachte.
    Timanoridas schloss die Tür hinter ihnen. Mit einer einzigen Handbewegung riss er ihr den Chiton vom Leib, warf sie auf das Lager, und starrte sie an. Dann schlug er sie - mit den Händen, einem schweren Gürtel und mit Worten.
    „Hure ... ihr mögt es doch, wenn man euch hart anfasst.“
    Neaira mochte es nicht, hütete sich jedoch ihm das zu sagen. Viel zu erschrocken war sie über seine Rohheit, der sie nichts entgegenzusetzen hatte. Als Timanoridas sie am Morgen verließ, war er wieder ein normaler Mann. Neaira meinte, jeden einzelnen Teil ihres Leibes schmerzhaft zu spüren. Als Idras kam, zeigte sie der Schwarzen die roten Striemen und die blauen Flecken. „Es ist ganz

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