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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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zerlegt und auf Schlitten von unzähligen Männern und Ochsen gezogen, boten einen gewaltigen Anblick und entlohnten zumindest die Mädchen für die Unbequemlichkeit auf dem holprigen Wagen.
    Neaira beneidete Metaneira, die ihre Nächte in Lysias Wagen verbringen durfte, denn Nikarete war nicht nur am Tag unerträglich – sie schnarchte auch mit der Inbrunst von zwei Männern in der Nacht.
    In diesem Sinne war besonders Neaira froh, als sie am vierten Tag Athen erreichten und die Stadttore passierten.
    Sobald Neaira den ersten Blick auf Athen warf, war sie von der Polis verzaubert. Die weißen Gebäude mit den großen Säulenhallen, die Tempel, auf deren Stufen bunte Blüten zu Ehren Demeters gestreut worden waren, Priester, die eifrig die bronzenen Standbilder vor den Tempeln auf Hochglanz polierten. Die Stadt besaß einen Herzschlag, der so anders war als der von Korinth. Es war ein Herzschlag des Aufbruchs, der Erneuerung und der Freude. Wenn Korinth ein alter Mann war, dessen Herz langsam und gemächlich schlug, so war Athen das aufgeregte Herz eines Mädchens, das voller Vorfreude auf den Geliebten wartet. Metaneira und Neaira drückten sich am hinteren Teil des Wagens herum und konnten nicht genug von den Straßen Athens zu sehen bekommen, in denen die Vorbereitungen für die eleusinischen Mysterien voranschritten. Gut gemästete Opfertiere mit glänzendem Fell und Stiere mit vergoldeten Hörnern wurden zu den Tempeln geführt, die Händler boten Figuren der Demeter oder glücksbringende Amulette an. Lysias ließ den Wagen anhalten und kaufte von einem der Händler zwei Demeterfigürchen, die er Metaneira und Neaira schenkte. Sie kramten in ihren Sachen nach Bändern und banden sich die Schutzamulette gegenseitig um. Nikarete übersah mit verkniffenem Mund, dass Lysias nur den Mädchen ein Amulett geschenkt hatte. Es war offensichtlich, dass Nikarete nicht erwünscht war auf dieser Reise. So wie Nikarete Athen missmutig beäugte, schloss Neaira die Stadt mit ihren offenen und luftigen Straßen, den vielen Gebäuden, Tempeln und Läden schnell in ihr Herz. Korinth war zwar auch eine belebte Polis, doch Athen schien trotz der bevorstehenden Festtage vergleichsweise geordneter als Korinth. Als kleines Mädchen an der Hand ihrer Mutter hatte sie Korinth beeindruckt. Jetzt meinte Neaira, dass Korinth im Vergleich zu Athen schwermütig war.
    Lysias erklärte Neaira, die ihn immer wieder allerlei Dinge fragte, dass Athen durch sein demokratisches Gesinnungsbild Blüte und Wohlstand hervorbrachte. „Dies sieht man der Polis an. Korinth ist immer wieder in Wirren und Kriege demokratischer Machthaber und Aristokraten geraten. Nicht umsonst habe ich mich in Athen niedergelassen.“ Lysias war der Stolz auf seine Heimat anzusehen. Seine freundlichen Augen schienen zu leuchten, wenn er von Athen sprach.
    Nikarete, die Lysias Begeisterung nicht verstand, winkte ab. „Solange ihr Herren nur oft genug nach Korinth kommt, soll es mir egal sein, wo ihr eure Häuser baut.“ Sie hatte kein Auge für die Schönheit Athens. Für sie galt nur die klingende Münze als schön, das goldene Geschmeide und ein kostbares Gewand.
    Auch Lysias Großmut schien langsam überstrapaziert, denn er beachtete Nikarete nicht weiter. Sie verdarb mit ihrer mürrischen Art die Vorfreude und gute Stimmung.
    „Ihr werdet bei einem Freund von mir untergebracht sein, der im Hafen von Piräus ein Haus hat“, erklärte er, um ein unverfängliches Thema anzuschlagen. Metaneira nickte.
    Lysias hätte sie aus Rücksicht auf seine Gattin niemals in sein eigenes Haus gebracht. Trotzdem zeigte er sich beflissen, die Frauen auf dem Weg zum Haus des Freundes auf einige Sehenswürdigkeiten hinzuweisen, wie den Tempel des Hephaistos auf der Agora und den beeindruckenden Tempel der Athene auf der Akropolis, der ganz Athen überragte.
    „Ich will versuchen, euch während eurer Zeit in Athen so viel wie möglich zu zeigen“, sagte Lysias lächelnd, da die Freude der beiden Mädchen ihm gefiel. „Aber heute sind wir alle zu müde und brauchen nur noch ein gutes Mahl und einen vollmundigen Wein im Haus meines Freundes Philostratos. Er ist wie ich ein Metöke, ein freier Fremder in Athen, aber bekannt für seine Gastfreundschaft.“
    Philostratos, ein Mann, der noch keine dreißig Jahresumläufe zählte und demnach noch nicht den Bart der älteren Männer trug, hieß sie herzlich in seinem Haus willkommen. Neaira fühlte sich sofort wohl, denn das helle und nicht

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