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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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der Vorratskammer.«
    »Damit die Katzen sie holen, wie?« Aber es war kein Vorwurf in Vaters Stimme. Paul konnte sich überhaupt nicht erinnern, daß sein Vater einmal laut oder gar grob mit seiner Mutter gesprochen hätte.
    Das war wohl, weil Mutter krank war, denn sie bekam keine Kinder mehr, obwohl sie doch mit ihren dreißig Jahren noch nicht zu alt dafür war. Mutter ist krank; das hatte auch der Vater einmal gesagt, und seine Hand hatte sich beim Spaziergang um die Schulter des Jungen gekrampft.
    Die weite märkische Heide, die in Wirklichkeit Wald war, die Kiefern, die Sonne, die Plättlinge, und dann plötzlich die Nachricht: Wir gehen nach Berlin. Ich bin versetzt worden.
    Paul erinnerte sich noch genau daran, wie er geheult und sich einen Tag lang im Wald versteckt hatte.
    Ich will nicht nach Berlin, ich will nicht nach Berlin!
    Was sollte er in Berlin?
    Der Vater ist befördert worden, sagte die Mutter, und das ist eine große Sache. Er ist nicht eingezogen worden wegen seines Asthmas, er hat nicht in den Krieg müssen, er konnte weiter auf seiner Strecke bleiben, was für ein Glück. War es Glück, Vorarbeiter eines Streckentrupps zu sein, der die Gleise und die Weichen der Eisenbahn reparierte?
    Ich will Förster werden, so wie Onkel Friedrich.
    Der Vater tätschelte seine Wange. Du wirst was ganz anderes werden. Du wirst studieren und ein ganz großer Mann sein. Stell dir vor, ein Arbeiterkind, das es zu was bringt. Aber das schaffen wir schon. Das schafft die Sozialdemokratie schon.
    Der Rauch und der Bierdunst auf den Versammlungen, und die Sprüche von Solidarität und von Freiheit und Gleichheit, ja, manchmal sprach einer so zündend, daß Paul aufgeregt von seinem Stuhl aufsprang und hin und her hopste, bis ihn der Vater, lächelnd wie immer, zur Räson brachte.
    Damals, da hat sich mein Leben entschieden, dachte Paul Brenski, während er durch das Gras das Kloster Santa Maria de la Sierra beobachtete. Wenn wir in Röblin geblieben wären, wäre ich vielleicht Förster geworden. Aber dann hätte ich Rehe schießen müssen.
    Heute schieße ich auf Menschen.
    Er schaute auf seine Armbanduhr. In einer Minute war es soweit. In einer Stunde würde er über dem Kloster die rote Fahne hissen – oder sie würden alle tot sein.
    Sechs Kilometer vom Kloster Santa Maria de la Sierra entfernt lag ein großer Bauernhof. Aber es gab kein Vieh mehr in den Ställen, das war längst geschlachtet worden, es gab auch kein Korn mehr in den Scheuern, denn das war vermahlen, zu Brot gebacken und längst gegessen worden. Die Scheunen waren leer, die Ställe – bis auf die drei Panzerfahrzeuge, die hier Deckung gegen die Flugzeuge der Nationalisten gesucht hatten. Neben den Panzern standen ein paar Stabsautos und Motorräder von Meldern. An den vier Seiten des Hofes, vor der Mauer, die ihn symmetrisch umgab, waren Schützengräben ausgehoben worden mit MG-Stellungen. Die Stellungen waren besetzt, und die Soldaten schliefen halb in der ungewöhnlich heißen Frühjahrssonne.
    Die Antenne auf dem Dach des Haupthauses glitzerte in der Sonne und sandte jähe Blitze in das Feld, wenn der Wind von der Sierra sie bog. Aber kein Feind konnte das sehen, denn der Bauernhof, der der 4. Division und der II. Internationalen Brigade als Hauptquartier diente, lag geschützt hinter Hügeln. Von der Front aus konnte man ihn nicht einsehen. Nur fragten sich die Stabsoffiziere und die Genossen Kommandeure, wo die Front eigentlich war, seitdem die Nationalisten bei Francofera die republikanischen Stellungen durchbrochen hatten und von allen Seiten her im Anmarsch auf Guevara waren, an der Straße nach Madrid. Blockieren konnte man ihren Vormarsch nur, wenn man das Kloster Santa Maria de la Sierra in die Hand bekam. Und das sollte der Kommandotrupp von dreißig ausländischen Legionären der II. Brigade und Spaniern der 4. Division tun.
    Colonel Carlos Bienvenida schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Platte krachte, als wolle sie zerspringen.
    »Das ist eine Riesensauerei!« schrie er. »Wie sollen dreißig Mann eine von zweihundert Nacionales gehaltene Stellung erobern? Es sind meine Leute, über die ihr da so frei verfügt!«
    »Sie sind mir unterstellt worden«, sagte Major Vegas ruhig.
    »Und da erlauben Sie sich, Genosse, die Jungs in den sicheren Tod zu schicken?«
    »Wir hätten mehr Soldaten, wenn Ihr Arbeiter-Bataillon nicht die Stellungen geräumt hätte.«
    Der Colonel fuhr sich mit der linken Hand über den

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