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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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deinen Beitrag zu leisten für die Gesellschaft.«
    »Amen.«
    »Du brauchst nicht so zynisch zu sein, Brenski. Das ist die einfachste Philosophie, die es gibt. Und die alten Griechen haben schon so gedacht und ein für damalige Verhältnisse mächtiges und lebenswertes Reich in ihren Stadtstaaten aufgebaut und eine Gesellschaft geformt, von der wir nur träumen können.«
    »Ja, du träumst wirklich, El Corazón. Wo sollen in dieser Gesellschaft, wo jeder das tut, was seinen Neigungen entspricht, die Arbeiter herkommen, die Straßenfeger, die Karrenmänner, wie man bei uns sagt, wer soll die Toiletten säubern oder ganz schlicht die Scheißhäuser in den Mietskasernen? Du vergißt, daß die Griechen so lobenswert und so demokratisch leben konnten, weil sie für die Schmutzarbeiten eines uns voraus hatten – sie hatten noch die Sklaverei. Und das Schicksal der Heloten war in dem von allen romantischen Humanisten so hochgejubelten Griechenland gewiß nicht leicht.«
    Plötzlich packte El Corazón Brenskis Arm, riß ihn zu Boden. Das dichte Gras der Wiese verbarg sie den Blicken von der Straße her.
    »Eine Streife«, flüsterte El Corazón.
    Sie krallten sich in den Boden. Die Fahrräder lagen hinter ihnen, in einer kleinen Mulde – sonst hätte man sie sofort entdeckt.
    Brenski lugte durch eine Lücke in dem hohen Gras nach unten. Dort schritten zwei Guardia Civiles, jeder auf einer Seite der Straße, mit ihren dunkelgrünen Uniformen und den lächerlichen schwarzen Lackhüten. Aber mit diesen Burschen war nicht zu spaßen; ohne die Guardisten – die kasernierte Landespolizei – wäre Franco sein Putsch gegen die Regierung nicht gelungen.
    Die beiden Posten schlenderten dahin, als gäbe es keinen Krieg auf der Welt, als gäbe es keine Spione, die man schnappen mußte, Deserteure, die zu arretieren waren, Passanten, die man ausfragen und auf ihre Identität hin überprüfen mußte.
    Die Guardia Civiles waren meistens Bauernsöhne. Aber sie waren nicht dumm, gewiß nicht. Im Gegenteil: Sie besaßen die Schläue der Campesinos, die der kargen Erde der Iberischen Halbinsel ihre Ernten abquälen mußten. Sie hielten Dürren und Regenfluten durch, und das Durchhalten lehrte sie mehr Menschenkenntnis, als den meisten Leuten aus der Stadt zu eigen ist. Und Brenski wußte ganz genau, daß dieses so einfach Vor-sich-hin-Schlendern eine Pose war, die sie nicht einstudiert hatten, die aber ihrer List entsprang.
    Und wie recht er hatte.
    Tau hatte die staubige Straße genetzt, und so mußte die Spur ihrer Fahrräder noch deutlich zu sehen sein, weil bisher noch kein Karren, kein Wagen, kein Auto, nicht einmal ein Fußgänger seit dem Sonnenaufgang dort unten vorbeigekommen war.
    Die Posten blieben unten auf der Straße stehen.
    El Corazón preßte sein Gesicht in die feuchte Erde, als wollte er gar nicht sehen, was die dort unten taten.
    Die beiden Posten standen scheinbar unschlüssig, dann nahmen sie beide die Gewehre von den Schultern, der eine Posten stellte sich hinter einen verkrüppelten Ölbaum, der andere Posten sprang über den Straßengraben und war dann plötzlich im Gras verschwunden.
    Brenski packte sein Wurfmesser. Er stieß El Corazón an. »Wo ist dein Revolver?«
    »Den hat Maria Christina mitgenommen«, flüsterte El Corazón.
    »Du Idiot!«
    Brenski sah den einen Posten aus dem Gras der Wiese auftauchen, gegen die Sonne blinzeln, bei dem kleinen Eichenhain, rund hundert Meter von ihnen entfernt; er schaute sich um, nahm den Lackhut ab, wischte sich die Stirn, setzte den Hut wieder auf, warf das Gewehr am Riemen wieder über die Schulter und ging zurück zur Straße. Der andere Posten trat hinter dem Olivenbaum hervor, setzte sich am Straßenrand hin, zog den Brotbeutel nach vorne, nahm Brot und Käse heraus und begann zu essen. Es war eine Idylle, die in so scharfem Gegensatz zu der tödlichen Gefahr stand, in der El Corazón und er minutenlang geschwebt hatten, daß Brenski nur mühsam ein Lachen, ein hysterisches Lachen gewiß, unterdrücken konnte. Es gluckste in seiner Kehle, und er hielt sich die Hand vor den Mund, während El Corazón noch ungläubig auf das starrte, was sie danach immer wieder ›El milagro‹, das Wunder, nennen würden.
    Als sie zur Cantina zurückkamen, stand der Karren mit dem Maultier Ralfo vor der Tür. Das Mulo erkannte sie und ließ schnarrend seine gelben Zähne sehen.
    »Madre de los niños!« El Corazón sprang vom Fahrrad, ließ es einfach fallen und lief so schnell

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