Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
bevorstehenden Saison sogar mit Bangen entgegen.
Kami Noru hatte Todd auf den ungewöhnlichen »Stern« aufmerksam gemacht, und Todd erinnert sich, daß Kami sich von diesem himmlischen Phänomen höchst beunruhigt zeigte. Auf Todds Frage, was es für ihn und die anderen Sherpas bedeute, sagte Kami schlicht: »Wir wissen es nicht. Und es gefällt uns nicht.«
»Er (der Komet) war schon einige Zeit zu sehen«, sagte Todd, »und er war für die Sherpas ein böses Vorzeichen.« Ein Aberglaube, gewiß, dachte Todd, aber dennoch Grund zu ernster Besorgnis, da die Menschen, die den Berg am besten kannten, solchen Erscheinungen Bedeutung beimaßen.
Zu der ungewissen Bedeutung der himmlischen Störung kam noch ein weiteres Problem. Obwohl schon Ende März, war die Schneeschmelze noch nicht so weit fortgeschritten, daß die Yak-Karawane auf dem Trekkingpfad zum Basislager des Mount Everest (5300 m) vordringen konnte. Nur ein paar Sherpa-Träger erreichten das Lager auf einem schmalen, schneebedeckten Steig. Da die für Expeditionen benötigten Vorratsmengen den Einsatz von Trägern mit Yaks erforderten, würde sich der Transport verzögern. Bisher war das lediglich ein Grund zur Besorgnis, noch kein Alptraum, aber das Problem konnte größere Dimension annehmen, falls die Pfade noch länger unpassierbar blieben. Das »Wetterfenster« für den Everest-Gipfel ist nur kurze Zeit offen und wird mit dem Einsetzen des Monsuns zugeschlagen. Ist eine Expedition zum Zeitpunkt des Aufstiegs nicht ausreichend verproviantiert, hätte sie sich die ganze Anreise ins Gebirge sparen können.
Wie wohl jeder das angesichts dieser unsicheren Umstände tun würde, trafen Todd und Kami Noru Vorkehrungen, um die zu erwartenden Probleme möglichst klein zu halten. In Kathmandu, Nepal (1400 m), wo er sich mit einer Menge logistischer Probleme herumschlagen mußte, während er darauf wartete, daß der Schnee im Norden schmolz, nahm Todd eine aus etlichen Kisten J&B Scotch bestehende Ladung in Empfang. Sie war das Geschenk eines Teilnehmers, zu dessen Sponsoren eine Whiskyfirma zählte. Todd gab seinen Sherpas für den Transport dieser hochgeistigen Last ins Basislager genaue Instruktionen, denn er rechnete durchaus mit Abenden, an denen ein Tropfen zur Entspannung dringend nötig war. Kami Noru, kein Scotch-Trinker, bereitete sich auf das Bevorstehende auf seine Weise vor.
In seinem schiefergedeckten gemauerten Haus in Pangboche (4000 m), einem Dorf, das sich über dem gewundenen, zum Fuß des Mount Everest führenden Trekkingpfad in die Terrassenstufen des Hanges schmiegt, hielt Kami Noru am 29. März eine puja ab. Dies ist ein Ritual zur Danksagung an die Berge, verbunden mit Segensbitten. Bei Sonnenaufgang saßen in einem großen Raum über einem Getreidespeicher fünf buddhistische Mönche in braunen und safrangelben Gewändern im Kreis auf dem Boden. Um sie herum ließen sich Kami Noru und einige andere Sherpas aus Pangboche nieder, die für die Expedition arbeiten sollten. Das fahlgelbe Licht der Yakbutter-Lampen und die ersten tastenden Strahlen der Morgensonne ließen das Blau und Rot der tibetischen Webteppiche auf den handgesägten Bodenbrettern da und dort aufleuchten. Rauch stieg in Spiralen von einem Feuer auf, und der volle, süßliche Duft verbrannter Wacholderzweige lag in der Luft.
Der Singsang der Mönche hallte wie ein Echo von den Wänden wider, und jede erneute Wiederholung verstärkte das Gefühl von Ruhe und Frieden. Der Gesang vermittelte die Gewißheit, daß der Berg die Sherpas schützen und wieder entlassen würde, wenn sie ihm mit Ehrfurcht begegneten. Als die puja beendet war, überreichten die Mönche jedem eine rote Knotenschnur als Schutzamulett. Die Sherpas nahmen die Gaben mit ruhiger Ehrerbietung und unter Verbeugungen entgegen und hängten sich die Schnüre um den Hals.
Bei anhaltender Schneeschmelze würden Kami Noru und die anderen in den nächsten Tagen zum Everest-Basislager aufbrechen, wo sie mit den Expeditionen, die sie angeheuert hatten, zusammentreffen würden. Für einen Tageslohn zwischen 2,50 Dollar und 50 Dollar sollten sie beim Aufbau der Lager helfen, Lasten hinauf schleppen und für die Gipfelstürmer, die sich in immer größerer Zahl auf den Everest wagten, kochen und andere Dienste verrichten.
Anfang der achtziger Jahre hätten Expeditionsbergsteiger und Träger, die sich während der Frühjahrssaison im Everest-Basislager zusammenfanden, in einem einzigen Waggon der Pariser Metro Platz
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