Der gläserne Sarg
offene Fragen …«
»… die wir beantworten müssen und werden«, korrigiert Jacklow. Dann, weniger abweisend: »Welche Fragen meinten Sie?«
»Ich finde keine Antwort darauf, wie das Gift in Bob Rints Wohnung gekommen ist.«
»Blondie wird uns das schon noch sagen. Er widerruft ja ständig seine Aussagen und tischt uns neue Märchen auf. – Sie haben es ja vorhin selbst mitbekommen. Da erklärt er doch plötzlich, er habe uns angelogen, das Feuerzeug sei nicht von seinem Schreibtisch verschwunden, er habe es nämlich schon vor Wochen Miß Whyler geschenkt. – Natürlich wäre das eine plausible Erklärung, warum es im Apartment herumgelegen hat. Und das hat er sich nachträglich auch überlegt. Bloß sollte er mich nicht für so blöde halten, daß ich ihm das jetzt noch abkaufe.«
»Aber seine Erklärung für das Zustandekommen des Selbstmordbriefes klang schon überzeugender – und sie stimmt mit dem Laborbericht überein.«
»Und was beweist das? Doch nur, daß er wußte, wie das Selbstmordbekenntnis zustande gekommen ist. Da setzt er uns lange auseinander, daß Bob Rint die Angewohnheit hatte, seine Unterschrift auf einen Blankobogen zu setzen und darüber ein Künstlerfoto zu kleben – weil er der Meinung gewesen sei, sich auf diese Weise auffällig von anderen Artisten zu unterscheiden, wenn er Verehrerpost und Anfragen nach einem Autogramm beantworte … Okay. Irgend jemand wird solch eigentümliches Verhalten – bei Künstlern scheint ja nichts unmöglich zu sein, wenn es nur darum geht aufzufallen – ja noch bestätigen können. Und da Bob Rint außerdem diese Briefbogen immer vorsignierte und diese dann in seiner Theatergarderobe herumliegen ließ, konnte sich jeder x-beliebige leicht so eine Unterschrift besorgen. – Aber: Jeder x-beliebige … dazu zählt wohl auch der Direktor des Theaters, der ja Tag und Nacht ungehindert und vor allem – wenn er will – unbemerkt alle Räume betreten kann. Und das Labor findet zusätzlich noch heraus, daß dieser angeblich von Bob Rint geschriebene Brief mit der gleichen Schreibmaschine getippt wurde, auf der auch der von Mrs. French verfaßte Drohbrief entstand – also auf der Remington in Dr. Blondies Sekretariat. Nun kombinieren Sie – wer konnte – von Mrs. French abgesehen, an deren Täterschaft ich auch nicht mehr glaube – auf dieser Schreibmaschine in erster Linie heimlich tippen – doch wohl ebenfalls Mr. Blondie!« Jacklow hat sich in eine Erregung hineingesteigert, so als wolle er sich selbst noch einmal die Schlüssigkeit seiner Beweisführung nachhaltig demonstrieren. Jetzt hält er inne. Er spürt, daß er seinen Assistenten noch immer nicht überzeugt hat.
»Ist ja gut, Mike … Ich will zugeben, daß auch mich so manche Details noch nicht hundertprozentig überzeugen. Aber diese Lücken werden wir doch wohl noch füllen können. Wenn wir Blondie erst einige Tage hier haben und ihm immer wieder die gleichen Fragen stellen – immer wieder – stereotyp … dann wird er sich schon in weitere Widersprüche verwickeln … dann werden wir ihn zwingen, uns die Wahrheit zu sagen, die volle Wahrheit …«
»Ich wollte Sie nicht kritisieren, Chef …«, meint Collin entschuldigend.
»Mike, wir arbeiten nun seit eineinhalb Jahren zusammen … und wir haben beide noch jeden uns übertragenen Fall gelöst … Sie haben dazu viel und manchmal auch Entscheidendes beigetragen – ich will auch diesmal Ihre Unterstützung … und sei sie so kritisch, wie Sie sich jetzt geben … Ich zermartere mir ja selbst das Gehirn und stelle mir immer wieder die Frage: Habe ich auch nichts übersehen? Irgendeinen Fingerzeig, eine Spur?« Jacklow ist hinter Collin getreten und hat ihm die Hände auf die Schultern gelegt: »Ich mache Ihnen einen Vorschlag … Wir denken den Fall noch einmal durch … Wir beide … Aber jeder für sich allein. Vielleicht ist es doch so, daß da noch ein neuer Gesichtspunkt auftaucht … Nehmen Sie die Akten nur mit – ich glaube, ich kenne sie inzwischen auswendig … Bleiben Sie aber in Ihrem Büro, falls ich Sie erreichen muß.«
Collin erhebt sich und geht zur Tür. Doch bevor er sie öffnet, zögert er eine Sekunde. Dann dreht er sich zu Jacklow und fragt: »Und Mrs. French …?«
Der Inspector lacht: »Ich sagte ja schon, daß ich sie nicht mehr als die Mörderin betrachte. Sie können sie nach Hause gehen lassen …«
»Danke, Chef …«, stößt Collin hervor und stürmt aus dem Zimmer.
Es geht auf zwanzig Uhr zu
Weitere Kostenlose Bücher