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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Immerhin war er kein junger Mann mehr gewesen. Marysa hatte ihn nie sonderlich gemocht, dennoch trauerte sie um den Domherrn. Sie fragte sich, wer wohl im Domkapitel seine Stellung einnehmen würde.
    Einen Aufruhr hatte es gegeben, als man schließlich auch noch Ansem Hyldeshagen vorgeführt hatte, um ihn zu dem ersten Vorfall in der Chorhalle zu befragen. Obwohl ihn sowohl Ludwigs als auch Christophorus’ Aussagen schwer belasteten, leugnete er standhaft, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Hyldeshagen wiederum beschuldigte Bardolf. Am Ende hatte der Stadtrat verfügt, den Goldschmied einstweilen in den Narrenturm zu sperren, weil zu befürchten war, dass er den Verstand verloren hatte.
    Nervös und mit schwerem Herzen trat Marysa ans Fenster, öffnete den Laden, blickte in die eisige Finsternis hinaus und versuchte sich zu beruhigen. Sie fragte sich, wo Christophorus wohl stecken mochte, der kurz nach der Gerichtsverhandlung verschwunden war. Er hatte sie vor seinem Verschwinden gebeten, ihm zu vertrauen; warum fiel ihr das nur so schrecklich schwer?
    Mit sich selbst uneins, schloss sie den Fensterladen wieder und goss etwas Wasser in ihre Waschschüssel. Als ein Klopfen an der Haustür durch das Haus schallte, horchte sie auf. Mit pochendem Herzen hastete sie zu ihrer Kammertür. Sie hörte leise Grimolds Stimme, dann Schritte auf der Stiege. Vor ihrer Kammer hielten sie kurz inne. Augenblicke später hörte sie, wie die Tür zur Gästekammer bewegt wurde. Marysa ging zu ihrem Bett und ließ sich kraftlos darauffallen. Ohne darauf zu achten, dass ihr Kleid zerknittert wurde, zerrte sie die Decke unter sich hervor und rollte sich darunter zusammen. Ihre Tränen ließen sich nicht länger zurückdrängen, benetzten bald ihre Wangen und das Kissen, in das sie ihr Gesicht presste, um ihr heftiges Schluchzen zu dämpfen.
***
    Christophorus sah einen Lichtschimmer unter der Tür zu Marysas Kammer. Für einen Moment hielt er inne. Er entschied sich, erst einmal das Bündel, das er mit sich trug, in seine Kammer zu bringen. Dort zog er die Kapuze seines Mantels vom Kopf, hängte das Kleidungsstück ordentlich an einen Wandhaken. Schließlich wickelte er das Bündel aus. Rasch öffnete er seinen Gürtel, zog Skapulier und Habit über den Kopf und warf alles auf sein Bett. Er zog eines der beiden einfachen braunen Hemden über, die er zusammen mit einigen weiteren Kleidungsstücken besorgt hatte. Estella hatte ihm am Tag vor seiner Entführung dabei geholfen. Sie war erfreut über seinen Besuch gewesen und hatte keinerlei Fragen gestellt, wofür er die Kleider benötigte. Stattdessen hatte sie ihm mitgeteilt, dass sie sich mit Heinrich, einem jungen Gaukler aus ihrer Truppe, zusammengetan habe und dass sie alle gemeinsam nach der Kirmes im Januar fortziehen würden.
    Er wartete eine Weile, um sicherzugehen, dass sich auch der alte Grimold wieder in sein Bett gelegt hatte und hoffentlich fest schlief, dann ging er leise über den Gang zu Marysas Kammer, unter deren Tür noch immer ein schmaler Lichtstreifen zu erkennen war. Ohne anzuklopfen, drückte er die Tür auf, die sie glücklicherweise nicht verriegelt hatte. Leise schlich er in den Raum. Die Tür fiel wieder ins Schloss, doch Christophorus bemerkte es nicht einmal, denn der Anblick, der sich ihm bot, schnitt ihm schmerzlich ins Herz.
    Marysa lag unter ihrer Decke vergraben und schluchzte in ihr Kissen. Ihr Weinen war nur gedämpft zu hören, doch ihre Schultern zuckten heftig. Rasch ging Christophorus zu ihr, setzte sich auf den Bettrand. Vorsichtig zog er die Decke zur Seite. «Marysa?» Er berührte sie an der Schulter und spürte, wie sie zusammenzuckte. Ratlos fuhr er sich über sein seit dem Morgen sehr kurz geschorenes Haar. «Es tut mir leid, Marysa. Ich hätte nicht einfach weggehen sollen. Aber ich musste etwas erledigen und … Wenn das alles zu viel für dich ist …»
    «Hör auf!», sagte sie mit vom Weinen brüchiger Stimme. Sie drehte sich auf die Seite und blickte ihn aus leicht geröteten Augen an. «Du hast überhaupt keine Ahnung.» Mit dem Ärmel ihres Kleides rieb sie sich über Gesicht und Nase. Dann erst bemerkte sie die Veränderungen an ihm. «Lieber Gott, was …?» Erschrocken fasste sie nach seinem kurzen Haar. «Was soll das?»
    Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. «Ich gehe fort, Marysa», sagte er und strich ihr eine Haarlocke aus dem Gesicht, die sich aus ihrer zerknitterten Haube gelöst hatte. «Ich gehe fort, damit du

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