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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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mit Gewalt hochgerissen. Ein dumpfer Schlag folgte, dann fiel Barnabas zu Boden.
    Christophorus rappelte sich auf und blickte erstaunt in das Gesicht des Reliquienhändlers Bernát Kozarac. Dieser reichte ihm die Hand und zog ihn mit einem Ruck auf die Füße.
    «Ich danke Euch.» Christophorus tastete nach seinem aufgeplatzten Mundwinkel, aus dem ein Rinnsal Blut quoll. «Was tut Ihr hier?»
    Bernát fixierte ihn finster. «Ich rette Euch den Hals, elender csaló . Verdient habt Ihr es nicht, aber Ihr seid der Sohn eines guten Mannes.» Er tippte Barnabas leicht mit der Stiefelspitze an. «Dieser gazember hat Marysa entführt, nicht wahr? Wo ist sie?», fragte Bernát.
    «Ich weiß es nicht», sagte Christophorus und blickte sich in dem offenbar leer stehenden Anwesen um. «Wahrscheinlich haben sie sie hier irgendwo versteckt. Wir sollten …»
    Ein Stöhnen unterbrach ihn. Barnabas versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Doch Bernát reagierte schnell. Er trat dem falschen Bettler heftig in die Seite und hielt ihn fest. «Sucht sie», sagte er zu Christophorus. «Ich kümmere mich um den hier.»
    In diesem Moment wurde von der Straße her das Poltern mehrerer Paar Stiefel laut. Kurz darauf schwärmte eine Gruppe Stadtsoldaten in den Hof. Ehe sie sich versahen, waren Bernát und Christophorus von ihnen umringt.
    «Haltet sie!», rief eine Stimme vom Hoftor aus. «Niemand entkommt uns hier.» Der Mann, dem die Stimme gehörte, kam näher. «Oh, das ist ja Bruder Christophorus. Den könnt Ihr laufen lassen. Aber die anderen beiden …»
    «Bruder Jacobus?» Überrascht starrte Christophorus den Dombaumeister an.
    Dieser nickte ihm freundlich zu. «Verzeiht, dass ich mich Euch auf diese Weise vorstelle. Jacobus von Moers, Inquisitor des Kölner Erzbischofs. Wir dachten schon, wir kämen zu spät.» Er deutete auf Barnabas und Bernát. «Ergreift die beiden und bringt sie …»
    «Halt!», unterbrach Christophorus ihn. «Nicht Meister Kozarac. Er ist Frau Marysas Großvater.»
    «Ach was?» Jacobus blickte überrascht zu Bernát hinüber.
    «Aber Barnabas dürft Ihr gerne mitnehmen.»
    Jacobus nickte und gab den Soldaten ein Zeichen, woraufhin diese Bernát losließen. Barnabas, der sich kaum wehrte, wurde vom Hof geschleppt. Die Männer waren inzwischen ausgeschwärmt, um das Anwesen zu durchsuchen.
    «Ihr blutet, Bruder Christophorus», sagte Bruder Jacobus ruhig.
    Christophorus winkte ab. «Mag sein, nichts Ernstes. Ich muss sofort …»
    «Wir haben die Frau gefunden!», rief einer der Soldaten. «Und Johann Scheiffart!», rief ein anderer. «Er ist tot.»
    Christophorus ließ Bruder Jacobus stehen und rannte zu Marysa, die von einem der Männer aus einer Getreidekammer am hinteren Ende des Hofes geführt wurde. Sie war blass, ihr Kleid verschmutzt, aber sie schien wohlauf. Als sie Christophorus erblickte, ging ein Leuchten über ihr Gesicht. Nur Augenblicke später war er bei ihr und schloss sie in seine Arme.

43. KAPITEL
    Unruhig ging Marysa in ihrer Schlafkammer auf und ab. Es war bereits später Abend. Sie hätte eigentlich längst schlafen sollen, aber ihre Gedanken und Gefühle waren viel zu aufgewühlt, als dass sie auch nur eine Minute hätte zur Ruhe kommen können. Seit ihrer Befreiung aus der Getreidekammer waren zwei Tage vergangen. Körperlich hatte sie sich weitgehend erholt, lediglich ein Muskelkater in den Schultern erinnerte sie an die Torturen, die Barnabas ihr zugefügt hatte. Sie und Christophorus hatten gleich am selben Tag vor dem Schöffengericht ihre Aussagen gemacht; der Prozess war kurz und hart verlaufen. Barnabas und Bruder Eldrad sollten schon in den nächsten Tagen dem Scharfrichter übergeben werden. Den schwerverletzten Dederich van Weyms hatte man ins Grashaus geschafft, wo sich der Henker um ihn kümmerte. Es sah nicht danach aus, als würde der junge Kanoniker seine Verurteilung noch erleben. Er hatte mit Wilhelm von Berg sympathisiert, doch Eldrad schien ihm nicht getraut zu haben, deshalb hatte er ihn von Barnabas aus dem Weg räumen lassen, nachdem er Marysa in Scheiffarts Haus gelockt hatte.
    Scheiffart war noch in Marysas Gegenwart verstorben. Bruder Eldrads Handlanger hatten ihn verfolgt, als er sich auf den Weg zum Dechanten gemacht hatte, um herauszufinden, wer im Marienstift bereits von den Verschwörungsplänen wusste. Entweder hatten sie ihm bei ihrem Verhör schlimme innere Verletzungen zugefügt, oder aber sein Herz hatte die Tortur nicht ausgehalten.

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