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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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Adaporianer mit kaltem Wasser! Vielleicht hilft das!« befehle ich und winke Mart zu mir. »Was hältst du vom Athmiral? Glaubst du ihm?«
    Ich muss vorsichtig sein! Ich weiß nicht einmal, ob es sich für einen Regenten geziemt, wenn ich zugebe, in einer Frage unsicher zu sein.
    »Nein, erhabener Regent, ich glaube ihm nicht! Kein Fürst wird seine Soldaten während der Schlacht entwaffnen. Denk daran, wie viel Große Wagen aus dem Flug heraus abgestürzt sind! Er lügt! Er kann weder Krieg noch Frieden bringen. Ich glaube, dass der Wald sich an den Adaporianern rächt.«
    Ja, freilich, Mart glaubt; ich aber müsste es wissen! Glauben tut jeder so allerlei … Wirklich, es klingt alles sehr unwahrscheinlich, was Athmiral sagt, aber vielleicht …
    Am Himmel kreisen Fragons. Ruhig und unbeirrt wie Gestirne ziehen sie und scheinen mich in meiner niederen Ungewissheit zu verspotten.
    Endlich bringt ein Fragonreiter in einem Ledereimer Wasser herbei. Ich bespritze den Adaporianer damit, aber wahrscheinlich ist das nur ein Aberglaube. Jedenfalls reagiert Athmiral nicht darauf.
    Mart nimmt mir den Eimer aus der Hand und kippt ihn ganz über Athmiral.
    »Auge um Auge, Zahn um Zahn …« murmelt er dabei. Das ist eine der alten Beschwörungsformeln, die einem religiösen Menschen eigentlich zuwider sein sollten; aber es hilft, der Adaporianer bewegt sich.
    »Noch einen Eimer!« und auch den schüttet Mart über den Bewusstlosen.
    Athmiral stemmt sich auf die Ellbogen und schüttelt benommen den Kopf. Man sollte ihn ganz ins Wasser stecken, denn er stinkt ekelhaft.
    Ich will es ihm nicht verübeln; bei den Sammlern und in diesem Krieg habe ich schon so viel Angst und Elend erlebt, dass ich inzwischen gelernt habe, was alles einem Menschen widerfahren kann.
    Er schlägt die Augen auf, sieht mich an und erkennt mich. Ich sehe, wie sich seine Pupillen verengen. Er kriecht gleichsam wieder in sich selbst zurück. Wenn ich den Schreck, den ich ihm versetzt habe, wieder zurücknehmen könnte, würde ich es tun … trotz Zaina. Es wird nun vielleicht sehr viel schwieriger sein, mit ihm zu verhandeln.
    Eine leichte Berührung an der Schulter lässt mich herumfahren. Ich stehe einer Frau gegenüber! Ich kenne sie nicht. Wer ist sie? Sie ist schön! Ich habe noch nie eine Frau von so strahlender, herrlicher Schönheit gesehen.
    Sie wirkt ein wenig älter als ich und steht hoch aufgerichtet vor mir. Wir sind ungefähr gleich groß.
    Unter einem dunkelgrünen Trauercape trägt sie eine durchsichtige Chtrißa, die aus einzelnen Saftronhaaren gewebt ist. Ihr Körper darunter ist makellos.
    Ich bin verwirrt. Ich fühle, wie mir das Blut in den Kopf steigt.
    Sie mustert mich mit traurig spöttischer Miene von Kopf bis Fuß. Ich wünschte mir, ich könnte davonlaufen! Mein Blick irrt zu Mart; etwas in seinen Augen will mich warnen, aber ich verstehe ihn nicht. Ob er sie kennt?
    Bevor ich meine Gedanken wieder beisammen habe, sagt sie mit ihrer faszinierenden Stimme, die tief und sanft und hoch zugleich klingt, aus der das Gelächter über mich törichten, närrischen Nägar herauszuläuten scheint: »Es pflegen die Regenten sonst zu mir zu kommen; doch in eurem Fall, Erhabener …«
    Sie beobachtet wohl spöttisch amüsiert meine wachsende Verwirrung, unterbricht sich und erklärt: »Ich bin Fren, Erhabener! Des Fürsten Ämar Hohe Gemahlin.«
    »Oh …« sage ich nur und hasse dabei mein tölpelhaftes Benehmen. Sie hatte midi ja nach Mo Pias gebeten – und ich habe nicht einmal Zeit gehabt, mich nach der passenden Anrede zu erkundigen!
    »Erhabene, – ich bitte um Vergebung!« Ohne zu überlegen, lasse ich mich zum Kniefall nieder, wie er dem Fürsten gebührt.
    Zweifellos bin ich damit zu weit gegangen; aber irgendwie scheine ich dennoch das Richtige getan zu haben, denn die Hohe Gemahlin streckt mir lächelnd die Hände entgegen, als wolle sie mir beim Aufstehen helfen.
    Auch ich hebe die Hände zu ihr auf; aber natürlich nicht, um mir helfen zu lassen! Es ist eher eine unwillkürliche Geste, wie ich sie während der Meditation über eine Formel der reinen Mathematik hätte tun können.
    Oh, heilig die Drei! Sie berührt meine Fingerspitzen! Das ist wie die Berührung der Waldfrucht, die feuerfließend über die Haut zuckt. Zeitloser Raum in Ewigkeit, in meinen Adern pocht das Blut, und ihr herrliches Bild verschleiert sich mir vor den Augen. So und nur so können die Sammler empfinden, wenn sie die Beere erblicken, anfassen und

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