Der Glanz der Welt

zurücktreten, und alle Welt rätselte, was es mit dem Geldkoffer auf sich hatte.
    „Eigentlich war er zuletzt dein Botschafter“, sagte Grapschmann zu Schnittling. Der zuckte nur beiläufig mit den Schultern.
    „So what?“, gab er jetzt den kühlen Briten. „Öch hätte ihm doch einen echten Döplomatenpaff beforgen follen.“
    „War eine gute Idee, den Bein hat keiner mehr kontrolliert“, sagte Grapschmann.
    „Daff aufgerechnet deine Beamten ihn kontrollieren, daf öst schon stark!“, meinte Schnittling.
    „Gegen die Bürokratie ist sogar ein Minister machtlos. Dafür war dein Timing grandios. Der ist genau im richtigen Moment vom Turm gefallen.“
    „Gefallen worden“, murmelte Schnittling und lächelte verschmitzt.
    „Verstehe ich da etwas nicht?“, fragte Schmock.
    „Kann fein“, sagte Schnittling, „kann fein. Belafte döch nöcht damöt.“
    „Was man nicht weiß, kann man nicht ausplaudern“, setzte Grapschmann hinzu.
    Aber Schmock ließ jetzt nicht locker: „Habt ihr was damit zu tun? Dieses arme Schwein!“
    „So arm war der nicht“, sagte Grapschmann.
    „Direktor eines Kellertheaters“, sagte Schmock, „das riecht nicht nach Reichtum und Wohlstand. Riecht eher schlecht, Herr Specht.“
    Grapschmann warf Schnittling einen irritierten Blick zu. Der hielt sich eine Serviette vor den Mund, räusperte sich kräftig, legte die Serviette wieder sorgsam gefaltet auf den Tisch zurück: „Er hat eine Frage zu viel gestellt. Kapiert, mein Lieber? Tote plaudern selten.“ Klar, präzise und leise kamen diese Worte aus Schnittlings Mund, seine Sprachfehler waren wie weggezaubert, der S-Fehler nicht einmal im Ansatz zu erahnen. Seine Augen lagen auf einmal ganz normal in ihren Höhlen. „Damuss man schnell handeln. Schwachstellen muss man ausmerzen.“ Kühl und scharf kamen seine Worte. „Da ist chirurgische Präzisionsarbeit gefragt. Ein schneller, entschlossener Schnitt löst viele Probleme. Ein Hirn lässt sich leichter löschen als jede Festplatte. Ich habe ohnedies eine mildere Lösung vorgeschlagen. Aber die Spezialisten waren anderer Meinung und haben das auf ihre Art gelöst, meine Vorschläge waren denen egal.“
    Schnittling lehnte sich zurück, senkte den Kopf, sodass sein Kinn auf der Brust auflag, und atmete tief durch. Dann hob er den Kopf, da waren sie wieder seine Glupschaugen: „Waf schreiben wör auf feinen Kranz?“
    Grapschmann: „Irgendwas übers Theater vielleicht?“
    Schnittling winkte einen Kellner zu sich: „Einmal Pecoröno möt Trauben für möch.“
    Grapschmann: „Das kannst nicht auf den Kranz schreiben.“
    Schnittling: „Daf war eine Beftellung, Depp!“
    „Er hat die Bretter seiner Welt verlassen“, sagte Schmock, „ist doch gut, oder?“
    Schnittling nickte: „Ça va! Ça va!“ Er zeigte gern, dass er mehrere Fremdsprachen beherrschte.
    „Theater ist gut“, sagte Grapschmann und schlürfte an seinem Champagner.
    Schnittling griff hinüber zu Grapschmann und zog Das Blatt zu sich herüber: „Waf schreiben die fonft?“
    „Nicht viel“, sagte Grapschmann.
    Schnittling blätterte im Blatt zum Lokalteil, überflog die Zeilen und las einige Worte zusammenhangslos vor: „Theaterdirektor … Schauspieler … kleine Bühne … ungeklärt … Niemand hat ihn gesehen … Wie kam er auf den Turm? … Verwandte schließt Selbstmord aus … Wer war dergeheimnisvolle Fremde im Aufzug … Unfall oder Mord … Der Mann im Aufzug soll sich bei der Polizei melden … Na, der wörd fich hüten!“
    Schnittling schlug die Zeitung zu und schob sie beiseite. „Die wössen nöchts!“
    „Gibt es etwas, das man wissen sollte?“, fragte Schmock.
    „Nein“, antwortete Schnittling, „du musst nur wissen, was long oder short gehen heißt.“
    „Habe ich noch nie verwechselt“, sagte Schmock.
    „Nur bei den Geschäften für die Werk-Bank, da hast das dauernd verwechselt. So eine schöne Pleite bekommt man selten hin“, sagte Grapschmann.
    Alle lachten.
    „Mich würde bloß interessieren“, sagte Grapschmann, „wie die vom Blatt einen Mord als Aufmacher auf die Titelseite bekommen konnten, der genau zum Redaktionsschluss stattfand.“
    Schnittling sah ihn an, kratzte sich am Kopf und wusste entweder auch keine Antwort auf diese höchst berechtigte Frage, oder er wollte im Moment alles im Unklaren lassen. Er räusperte sich, aber bevor er noch etwas sagen konnte, schwang die Eingangstür wieder weit auf, allerdings wie von Geisterhand geführt, da man