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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Robey .
    »Jetzt nicht mehr«, meinte Morphew.
    Sie sahen zu, wie der Fuhrmann noch einen Eimer Wasser zu seinen durstigen Ochsen schleppte. Er trug einen schwarzen Filzhut, ein leuchtendrotes Hemd und eine Hose, die an den Knöcheln ausgefranst war. Seine kaffeebraune Haut war faltenlos.
    »Wo kommst du her?« rief ihm Morphew zu.
    »Von Lynchburg hoch. Da ist der Kleine im Hospital gestorben, ich soll ihn nach Haus bringen.«
    »Wie ist er denn gestorben?«
    Der Fuhrmann zog den Filzhut vom Kopf und drückte ihn an die Brust. Er rieb sich verlegen am Kopf. »Weiß n icht, Sir. Er hat geschlafen, als es passierte. Hat nichts gesagt.«
    »Alter Depp«, brummelte Morphew und wandte sich Robey zu. »Ich glaub nicht, daß dein Pferd noch lange mitmacht. Wie willst du dann ans Ziel kommen?«
    »Wenn ’ s an der Zeit ist, geh ich eben zu Fuß weiter«, sagte er und bekam ein flaues Gefühl. Ein Blick auf die Stute verriet ihm, daß es bereits an der Zeit war.
    »Es ist noch weit, und es sieht aus, als ob die Zeit drängt. Vielleicht kann ich dir helfen.«
    Er betrachtete den Fuhrmann und den Weg hinab zur Schmiede und bedeutete Robey dann mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Aus dem Stallanbau hinter dem Laden war das heftige Schnauben eines Pferds zu hören, das mit den Hufen gegen die Wand trommelte. Morphew verschwand im Halbdunkel des Stalls und kam mit dem Pferd an der Leine wieder heraus. Es war ein Glanzrappe, ein pechschwarzer Hengst, größer als er selbst und offensichtlich alles andere als scheu.
    »So ein tolles Pferd!« sagte Robey und konnte seine Bewunderung nicht verbergen.
    »Ein Warmblut«, erklärte Morphew. »Ich sag dir, wenn er in Fahrt kommt, ist er nicht mehr zu bremsen.«
    »Wem gehört er?«
    »Der Mann, der ihn geritten hat, ist vor nicht mal einer Woche gestorben, hier in diesem Polsterstuhl. Ich hab ihn auf dem Friedhof begraben. Das Pferd hat sozusagen keinen rechtmäßigen Eigentümer mehr. Es ist praktisch in meinen Besitz übergegangen, also kann man sagen, daß es nun mir gehört.«
    »So ein Pferd hab ich noch nie gesehen.«
    »Der Deutsche sagt, es ist ein Hannoveraner. Ein feines Pferd, ein ausgeglichener Charakter, aber merk dir eins: Andere Pferde mag er nicht besonders.«
    »Auf welcher Seite war er?«
    »Der Hengst oder der Reiter?«
    »Ist irgendwie egal, oder?«
    »Jetzt, wo er tot ist, ist es ziemlich egal.«
    Morphew kramte Zaumzeug, eine Satteldecke und einen Sattel mit Pistolenhalftern am Sattelknopf hervor. Dann griff er hoch in das dunkle Eck zwischen Balken und Dachsparren.
    »Du weißt, was das ist?«
    »Ja, Sir.«
    »Und?«
    »Das sind Armeecolts.«
    »Richtig, das sind er Armeecolts. Kannst du damit umgehen?«
    »Ja, Sir.«
    »Zeig ’ s mir.«
    Robey wiegte einen der Revolver in der Hand und prüfte kritisch, ob er nicht verbogen war. Er klopfte geschickt den Haltekeil los und nahm die Trommel heraus. Dann sah er zu Morphew, der eine Schachtel Patronen, Zündhütchen und Geschoßfett vor ihn hinlegte. Robey riß die Papierhülse einer Patrone auf, füllte Pulver in die Kammer und setzte die Kugel. Als er alle Kammern geladen hatte, fettete er die Kugeln ein und steckte auf jede Patronenkammer eine Messinghülse. Dann wiederholte er das Ganze bei dem zweiten Revolver.
    »Nimm alles mit«, sagte Morphew. »Das Pferd und die Colts.«
    »Das kann ich nicht annehmen«, entgegnete er. »Mutter hat gesagt, ich darf von niemandem Hilfe annehmen.«
    Morphew schob die Unterlippe vor, musterte ihn skeptisch und sagte mit einer Stimme, die Ungeduld und Ärger verriet: »Das zeigt mir, daß du nicht Verstand genug hast für das, was du planst.«
    Morphew verschluckte sich und mußte tief Luft holen. Er wurde rot im Gesicht, gab nur noch unverständliches Gebrabbel von sich, und sein rechtes Auge begann zu tränen. Ein zuckender Schmerz ließ seine Wangen erblassen. Als er schließlich weitersprach, klang es mühsam, als wäre seine Kehle eingeschnürt.
    »Ich hab großen Respekt vor deiner Mutter. Sie ist eine besondere Frau, aber du kannst doch nicht einfach so durch die Gegend marschieren. Das Leben da draußen ist nicht mehr wie früher.«
    »Was heißt das?«
    »Früher konnte man den Menschen vertrauen.«
    Morphews gedrängte Worte enthielten unausgesprochen die Botschaft: Dir vertrau ich auch noch.
    »Jetzt sattel das Pferd, und leg ihm das Zaumzeug an, wir treffen uns vorm Laden. Ich schreib dir eine Bestätigung, daß es mein Pferd ist, was ja auch stimmt, und daß ich

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