Der Glasmaler und die Hure
eigenen Augen zu verfolgen.« Er deutete zum Zeltausgang und zog eine bittere Miene. »Sofern dieser vermaledeite Nebel dies überhaupt zuläßt.«
»Und wenn der König die Schlacht verliert?«
»Dann werden uns die kaiserlichen Truppen überrennen und das Lager plündern«, erwiderte Poutiainen kühl. »Sollte das geschehen, werde auch ich Eure Habe nicht länger schützen können.«
»Gott möge das verhindern«, sagte Thea.
Poutiainen nickte. »Der Herr wird ein wachsames Auge auf uns haben. Vor allem auf den König. Gustav Adolf sollte sich hüten, sich so forsch in die Bataille zu stürzen wie bei Breitenfeld, wenn er unserer Sache noch lange dienen will.«
Martin und Thea dankten Jöran Poutiainen noch einmal für dessen Hilfe und zogen sich zurück, um den Wagen hinterdas Quartier des Rittmeisters zu schaffen. Sie errichteten das Zelt und entzündeten ein Feuer. Alles geschah ohne Hast, denn nun in der Dunkelheit und im Nebel war es zu gefährlich, Rupert in der Mühle entgegenzutreten. Außerdem würde es ihnen beiden guttun, ein paar Stunden zur Ruhe zu kommen, bevor sie sich auf den Weg machten.
Während sie einen Gerstenbrei und gedörrte Linsen zu sich nahmen, passierte sie eine Kavalkade aus sieben Reitern. Poutiainen und seine Offiziere ritten geharnischt und in voller Bewaffnung an ihnen vorüber. Der Finne nickte ihnen zu und legte zwei Finger an die Hutkrempe, dann verschwand die Schar auch schon in der dichten Nebelwand.
Martin holte das Medaillon hervor und betrachtete versonnen das Antlitz seiner Frau.
»Du solltest nicht mit mir gehen«, sagte er zu Thea. »Es ist zu gefährlich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Glaubst du, ich könnte es ertragen, hier auf dich zu warten und dich in Gefahr zu wissen? Weißt doch, wir wollen stets aufeinander aufpassen.«
»Thea …«, setzte er an, doch sie wehrte seinen Einwand energisch ab.
»Wir sind diesen Weg bis hierher zusammen gegangen. Wir werden ihn auch zusammen beenden.«
Martin seufzte. »Du folgst mir ohnehin, auch wenn ich es dir verbieten würde.« Er reichte ihr das Medaillon. »Nimm es! Vielleicht bringt es dir Glück.«
»Das kannst du ebensogut gebrauchen wie ich.« Thea schob seine Hand fort und zog die Scherbe des Glasmosaiks hervor, die sie immer bei sich trug. »Ich besitze meinen eigenen Talisman.«
Er steckte das Medaillon zurück in die Wamstasche, dann rückte er näher zu Thea heran und legte einen Arm um sie. Eine Zeitlang schauten sie still ins Feuer.
Ich möchte sie niemals loslassen,
ging es Martin durch den Kopf, und wie so oft in den vergangenen Tagen tauchte ein weiterer Gedanke auf, den er jedoch nie ausgesprochen hatte. Nun aber fand er den Mut dazu. »Wenn Gott es will, daß wir gegen Rupert bestehen«, sagte er, »dann sollten wir das als ein Zeichen sehen.«
»Was meinst du damit?«
»Ruperts Tod würde die Vergangenheit begraben. Dann möchte ich für immer mit dir zusammenbleiben, Thea.«
»Du willst mich heiraten?« mutmaßte sie.
»Sofern wir beide morgen noch leben. Und natürlich nur, wenn auch du das willst.«
Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und wirkte fast ein wenig entrüstet. »Wie kannst du daran zweifeln, du Narr.« Thea beugte sich zu ihm und küßte ihn.
Eine kühle, windstille Nacht neigte sich dem Ende zu. Der Morgen dämmerte herauf, und noch immer lag dichter Nebel über den Feldern um Lützen, der die schwedischen Hoffnungen auf einen frühen Beginn der Schlacht zunichte machte.
Während Thea und Martin langsam und in sicherer Entfernung zur Aufstellung der hinteren Treffen durch den wallenden Schleier ritten, erklangen Morgengebete und Choräle aus Tausenden Kehlen. Die Soldaten beider Parteien standen sich bereits in Schußweite der Geschütze gegenüber und warteten auf bessere Sicht. Während die Schweden auf den Nebel fluchten, priesen die Kaiserlichen die Wetterlage wohl eher als göttlichen Beistand, denn diese Verzögerung verschaffte Wallensteins Heer Zeit, die dringend benötigten Verstärkungen heranzuführen.
Thea überlegte, ob ihnen der Nebel bei der Konfrontation mit Rupert zum Vorteil gereichen würde. Zwar ermöglichte ihnen die Witterung, sich unentdeckt in die Nähe der Mühle zu schleichen, doch wie sollten sie Rupert in diesem Dunst dann finden? Je länger Thea über diese Fragenachdachte, desto mehr fürchtete sie sich davor, einem gewissermaßen unsichtbaren Feind entgegenzutreten.
Martin schien zu einer ähnlichen Überzeugung gekommen zu sein, denn
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