Der gleiche Weg an jedem Tag
annahm. Es war alles noch unklarer und komplizierter, als es mir jetzt schien, aber ich wusste, dass ich nichts anderes machen würde.
Ich saà im Fenster, betrachtete das unwirklich graue Meer, den weià schimmernden Sand drauÃen. Vor mir, völlig verdunkelt, der Pavillon mit den Spielautomaten. Ich warf mein warmes Haar auf die Schultern zurück, da hörte ich seine Schritte. Ich erkannte sie, alles erkannte ich jetzt, auch wie er die Klinke hinunterdrückte.
»Du sitzt im Dunkeln â¦Â«, sagte er und hängte die Jacke, die er übergeworfen hatte, an den Kleiderhaken. »Ist dir denn nicht öde, so allein im Dunkeln zu sitzen?«
In dem milchig flieÃenden Licht erkundete ich schweigend sein Gesicht. Er hatte die Stirn gerunzelt, vielleicht vermutete er, dass etwas hinter meinem Schweigen steckte. In seinem Gesicht drängten sich die weichen Brauen, die starke Nase, der volle, missbilligend verkniffene Mund.
»Was hast du? Ist was?«
So sieht er also aus, wunderte ich mich und stellte fest, dass sowohl sein Gesicht als auch seine Stimme anders waren, als hätten sie eine geheime Verwandlung durchgemacht. Er begann allein zu existieren, von meinen Gedanken getrennt wie die anderen Menschen auch, und ich spürte, wie meine sommerliche Aufgeregtheit sich legte. Nie würde ich sie wiederfinden, jeden Tag, der folgte, würde ich ein weiteres Stück davon verlieren, mit jedem Stück würde die Welt leerer werden.
»Sie haben gesagt, du bist ein Opportunist«, murmelte ich.
Dabei kauerte ich mich noch krummer zusammen in dem Fensterrahmen, der das fremdartige Halbdunkel des Zimmers von dem Tag trennte, der drauÃen erlosch. Ich kauerte mich zusammen vor Angst, denn schon tat mir leid, was ich gesagt hatte. Im Augenwinkel nahm ich seine Gestalt wahr, oder ich spürte auch nur seine Gegenwart. Er reckte mir sein Gesicht entgegen, das starr war vor Aufmerksamkeit.
»Wer?«, fragte er angespannt. »Wo hast du das nun schon wieder gehört?«
»Deine Kollegen am Tisch«, stammelte ich, zutiefst erschrocken. Jetzt war alles aus, und es war meine Schuld. Ich hatte zur Unzeit geschwiegen, und ausgerechnet jetzt hatte ich geredet. »Ich war aufgestanden, da fiel mir der Schlüssel ein, und da bin ich stehen geblieben, aber sie haben mich nicht mehr gesehen, sie haben gedacht, ich wäre schon weg â¦Â« Meine Stimme überschlug sich, demütig um Verzeihung bittend. Ich wollte noch etwas hinzufügen, aber ich hielt inne und zerknüllte mit feuchten Händen die Falten meines Rocks.
»Deine Naivität ist wirklich grenzenlos«, sagte er lächelnd und schüttelte den Kopf. In der Ironie seines Blicks, an die ich mich gewöhnt hatte, meinte ich eine verborgene Wehmut zu erahnen. Dann ging er weiter mit langsam ausgreifenden Schritten im Zimmer auf und ab. Er blieb stehen, zog die Schublade des Nachtschränkchens auf und nahm seinen Rasierapparat heraus. »Was haben sie sonst noch gesagt? Komm, lass es raus, wenn du schon dabei bist. Ich sehe, da ist noch was, du bist noch nicht fertig.«
»Sie haben gesagt, du bist der Mann des Professors, so hast duâs ans Institut geschafft, als sein Neger ⦠Und jetzt machst duâs genauso, du förderst nur Absolventen, damit dir die Konkurrenz erspart bleibt.«
»Das ist der Iliescu, seine Platte kenn ich.«
Lag in seinem erstarrten Grinsen, in dem heruntergelassenen Mundwinkel ein Schuldeingeständnis oder nur Traurigkeit?
»Die spielt er an allen Ecken und Enden, wenn ihm nur jemand zuhört ⦠Der hat es gerade nötig, er, der dem Parteisekretär die Tasche hinterherträgt und seine Texte verbessert â zu etwas anderem ist er ja auch nicht imstande ⦠Was sind die doch groÃartig, mein lieber Mann, groÃartig â¦Â«, brummte er und knipste das Licht an.
Erschreckend weià blitzte es in dem dunklen Schweigen des Raumes auf.
»GroÃartig, nicht einmal hier können sie damit aufhören. Und deshalb warst du so drauf? Ich habe Wunder was gedacht ⦠Lass mal, zerbrich dir nicht den Kopf, du wirst es eh nicht begreifen ⦠Obwohl, in deinem Alter hatte ich begriffen, wie es zugeht auf der Welt, aber dich hat ja die Familie auch nicht darauf vorbereitet â¦Â« Er sah mich wieder an, mit dem gleichen langen Blick, als hätte er etwas Neues an mir entdeckt. »Wie seltsam du
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