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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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seinen Helm in die Hand, verbeugte sich und stammelte zitternd: „Seine Eminenz … die Gesandten … Frau Margarete von Flandern.“ … Er wußte, aus Furcht, gehängt zu werden, im Grunde nicht, was er sagen sollte. Vom Volk zum Hängen bestimmt – fürs Wartenlassen; vom Kardinal, wenn er nicht wartete: sah er zu beiden Seiten einen Abgrund oder vielmehr eine Galgen.
    Glücklicherweise riß ihn plötzlich ein anderer aus der Verlegenheit und aus der Verantwortlichkeit. Eine Person, die bisher diesseits der Balustrade, in dem rings um die Marmortafel frei gehaltenen Raum gestanden, und die noch von niemand bemerkt worden war, weil der Durchmesser des Pfeilers, an den sie sich gelehnt hatte, ihre lange dünne Figur von jedermanns Gesichtskreis abschnitt, näherte sich jetzt, dem armen Schlachtopfer auf der Bühne ein Zeichen gebend, der Marmorplatte; es war ein großer, magerer, blasser, junger Mensch, der gleichwohl auf der Stirn und Wangen schon Runzeln hatte, seine Blicke leuchteten, um seine Lippen schwebte ein Lächeln, er trug eine schwarze, vom vielen Tragen glänzend geriebene Jacke. Der arme Schelm auf der Bühne aber bemerkte ihn nicht gleich.
    Der neue Ankömmling trat einen Schritt näher und sprach: „Jupiter, mein lieber Jupiter.“ Der andere hörte ihn noch immer nicht.
    Endlich schrie ihm der lange Blondkopf beinahe dicht unter die Nase:
    „Michel Gilborne!“
    „Wer ruft mich?“ erwiderte Jupiter, wie aus Träumen emporfahrend.
    „Ich“, erwiderte der Mann in der schwarzen Jacke.
    „Ach“, stöhnte Jupiter.
    „Fangt nur gleich an“, fuhr der andere fort, „stellt das Publikum zufrieden, ich will’s auf mich nehmen, den Herrn Bailli zu besänftigen, und der wird mit dem Kardinal ein gleiches tun.“
    Jupiter schöpfte wieder Luft.
    „Meine Herren Bürger“, schrie er mit aller Kraft seiner Lunge zu der noch immer tobenden Menge, „augenblicklich werden wir anfangen.“
    „Evoe, Jupiter! Plaudite cives!“ brüllten die Studenten, und das Volk jauchzte hintendrein.
    Ein donnergleich betäubendes Händegeklatsch begleitete den Jubel, daß der Saal davon noch zitterte, selbst als Jupiter schon hinter seinem Teppich verschwunden war. Inzwischen hatte sich der Unbekannte, der wie durch Zauberei den Sturm (um mit unserem alten Corneille zu sprechen) so schnell in Meeresstille verwandelt, bescheiden ins Halbdunkel seines Pfeilers zurückgezogen und wäre daselbst ohne Zweifel ebenso unsichtbar, unbeweglich und stumm wie früher geblieben, hätten ihn nicht zwei junge Mädchen, die in den ersten Reihen der Zuschauer saßen und sein Gespräch mit Michel Gilborne-Jupiter belauscht hatten, aus seinem Versteck hervorgebeten.
    „Meister!“ rief die eine. – „Schweigt, liebe Liénarde“, sagte ihre hübsche, blühende, geputzte Nachbarin. „Er ist kein Kleriker; er ist ein Laie; Ihr müßt nicht Meister, sondern Herr sagen.“ „Herr“, sagte Liénarde.
    Der Unbekannte trat an das Geländer. „Was wünscht ihr Damen?“ fragte er mit dem Ausdruck eifriger Dienstfertigkeit.
    „Oh nichts“, erwiderte Liénarde verlegen, „meine Nachbarin Gisquette wollte Euch etwas sagen.“
    „Nein“, sagte Gisquette errötend, „Liénarde redete Euch Meister an; ich belehrte sie, sie müsse Herr sagen.“
    Die beiden Mädchen schlugen die Augen nieder. Der Angeredete, welcher nichts anders wünschte, als ein Gespräch anzuknüpfen, betrachtete sie lächelnd.
    „Ihr habt mir also nichts zu sagen, meine Damen?“
    „Oh, durchaus nichts“, sagte Gisquette.
    „Nichts“, sagte Liénarde.
    Der schlanke blonde Mann trat ein wenig zurück; allein die beiden neugierigen Mädchen hatten keine Lust, die Gelegenheit zu schwatzen sich entschlüpfen zu lassen.
    „Herr“, sagte Gisquette lebhaft, mit dem Ungestüm einer geöffneten Schleuse oder einer Partei ergreifenden Frau, „Ihr kennt also den Soldaten, der die Rolle unserer Frau, der heiligen Maria, im Mysterium spielt?“
    „Ihr, meint die Rolle Jupiters“, erwiderte der Unbekannte.
    „Ja“, sagte Liénarde, „wie dumm ist die! Ihr kennt also Jupiter?“
    „Den Michel Giborne?“ fragte der Ungenannte. „Ja, meine Damen.“
    „Wie prächtig ist sein Bart“, fragte Liénarde.
    „Werden die schöne Sachen sprechen?“ fragte furchtsam Gisquette.
    „Oh, sehr schöne, meine Damen“, erwiderte der Ungenannte ohne Bedenken.
    „Was ist das Stück?“ fragte Liénarde.
    „Das treffliche Urteil der Frau Jungfrau Moralität, meine

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