Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
Vom Netzwerk:
es lauter uralte Tiere, lauter Schindkraken, die vor Schwäche schwindelten. Die standen nun mit festgeschlossenen Augen, den Kopf zur Erde gesenkt, da an der Krippe und kauten schläfrig Spreu; der ganze Hals ein Eiterfraß, die Nüstern vom unaufhörlichen Prusten schlaff und weit offen, die Vorderblätter vom ginstnen Zugseile durchgerieben und schwärig, die Rippen bloß vom beständigen Gepeitsche, die Hufe breit voneinander gelaufen, und endlich das äußerst dürre Gerippe über und über mit bösem Grinde überzogen!!
    Wie ein schneidend Schwert fuhr es mir durch die Seele, als ich bedachte, daß ich mich wahrscheinlich in kurzem in dem nämlichen Zustande befinden würde. »Wehe!« seufzt' ich bei mir selbst, »so überschwenglich elend sollst Du noch werden, armer Lucius!« Und schwermütiglichst ließ ich den Kopf hängen.
    In meiner angeborenen Neugierde fand ich noch den einzigen Trost bei so jammervollem Leben. Sie fand beständig Nahrung, da man sich um meiner Gegenwart willen keinen Zwang antat, sondern frei sprach und handelte, wie man nur wollte.
    In der Tat, der göttliche Sänger der Griechen hat recht, wenn er von seinem Helden singt: Nur dadurch habe er die höchste Staffel menschlicher Weisheit erreicht, daß er vieler Menschen Städte gesehen und Sitten gelernt hat und so viel unnennbare Leiden erduldet. Auch ich habe in der Rücksicht meinem Esel viel zu danken. Unter seiner Hülle bin ich in so mancherlei Leiden geübt und, wo nicht mit Weisheit, doch wenigstens mit Wissenschaft bereichert worden. Vorzüglich verdanke ich ihm ein gar allerliebstes Histörchen, welches ich Euch unmöglich vorenthalten kann. Hier ist es!
    Der Bäcker, dem ich zugehörte, war ein sehr guter und überaus bescheidener Mann, hatte aber den Ausbund aller argen, garstigen Weiber von der Welt zur Frau. Er stand bei ihr alles nur ersinnliche Hauskreuz aus. Ich hatte wahrhaftig selbst manchmal Mitleiden mit ihm in meinem Herzen. Dem abscheulichen Weibe fehlte keine Untugend, kein Laster; alle insgesamt waren in ihrer scheußlichen Seele, wie der Unrat in einem Pfuhle, zusammengeflossen. Sie war boshaft, grausam, mannsüchtig, dem Trunk ergeben, hartnäckig, zänkisch, geizig in schnöder Anmaßung des Gutes anderer Leute, höchst verschwenderisch in schändlicher Verbringung des Ihrigen, der Ehrlichkeit gram, der Zucht feind. Dabei verachtete und verspottete sie die Götter samt der wahren Religion. Sie bekannte sich zu einer lästerlichen Lehre von
einem
Gott , den sie für den Alleinigen ausgab, und unter dem Vorwande allerlei zu beobachtender, nichtiger Gebräuche hinterging sie die Welt, betrog den Mann, soff vom frühen Morgen an und hurte ohne Unterlaß.
    Dieser grimmige Drache von Weib hatte einen Pik auf mich; ich weiß nicht, warum? Noch vor Tage, wenn sie noch lange auf dem Ohre liegen blieb, schrie sie schon: »Spannt doch den neuen Esel an die Mühle!« Sobald sie aber aus dem Neste gekrochen, war ihre erste Sorge, daß mir in ihrer Gegenwart das Fell tüchtig ausgegerbt wurde, und zur Abfutterungszeit, wenn schon alles ausgespannt war und fraß, durft' ich doch ganz spät erst an die Krippe gelassen werden. Diese ihre Strenge machte mich desto aufmerksamer auf ihre Sitten.
    Ich hörte beständig einen jungen Menschen bei ihr ein- und ausgehen. Für mein Leben gern hätt' ich ihm ins Gesicht gesehen; nur konnte ich nicht vor der Kappe über den Augen. Ich hätte dann schon alles anwenden wollen, die garstige Aufführung des bösen Weibes an den Tag zu bringen.
    Ferner stak sie tagtäglich vom Morgen bis auf den Abend mit einer alten Vettel zusammen, welche die Unterhändlerin zwischen ihr und ihren Galanen abgab. Wenn sie miteinander gefrühstückt und ein gutes Schlückchen zu sich genommen hatten, dann ging's an ein Beratschlagen, wie dem guten, ehrlichen Manne wieder auf eine listige Art eine Nase zu drehen sei.
    So böse ich auch der Fotis ihres Versehens wegen war, daß sie mich in einen Esel, anstatt in einen Vogel verwandelt hatte, so kamen mir dennoch die großen Ohren, wie schlecht sie auch ins Gesicht fallen mochten, außerordentlich zustatten. Ich konnte alles und jedes wörtlich hören, was auch noch so weit von mir gesprochen wurde. Eines Tages belauscht' ich die beiden Sibyllen bei folgendem Gespräche:
    »Ja, Madamchen,« sprach die getreue Vertraute, »von dem sag' ich mich los! Haben Sie sich für Ihren eigenen Kopf eine solche Matztasche von Liebsten auserkoren, der gleich vor Furcht

Weitere Kostenlose Bücher