Der goldene Greif
Reiches haben mich gebeten, Raigo die Krone seiner Väter aufs Haupt zu setzen, da ich der beste Freund und Gefährte seines Vaters Berigo war. Ich übernehme dieses Amt gern, denn ich liebe ihn wie einen Sohn. Und darum frage ich euch nun: Wollt ihr diesen Mann als euren Herrscher anerkennen nach Recht und Gesetz und dem Willen der Götter?“
Alle im Saal Versammelten riefen: „Heil, König Raigo! Möge er herrschen über uns, auf das Glück und Frieden uns nie verlassen!“
Da sprach Tamantes: „Knie nieder, Raigo, Sohn des Berigo! Hiermit kröne ich, T a mantes, König von Imaran, dich auf den Wunsch deines Volkes zum König von Ruwarad, wie es G e setz ist seit Anbeginn der Zeiten. Mögest du gütig und gerecht herrschen über dein Volk, auf daß Frieden und Wohlstand es nie verlassen!“
Damit setzte er Raigo die Krone aufs Haupt. Als Raigo sich nun erhob, jubelten ihm die Le u te zu und erflehten für ihn den Segen der Götter. Als sich die Unruhe etwas gelegt hatte, hob Raigo die Hand, und sofort kehrte Ruhe ein. Dann nahm er von einem Samtkissen, daß einer der Edlen ihm brachte, eine kleinere Krone, zierlich und mit edlen Steinen geschmückt. Er wandte sich zu Coriane und fragte sie:
„Coriane, Tochter des Wigo, Geschwisterkind und Mündel von Tamantes, König von Imaran, willst du dem Volk von Ruwarad eine gute Königin sein und ihm deine Liebe schenken? So knie nieder und sage: Ich will!“
Und Coriane beugte ihr Haupt vor Raigo und sagte mit klarer, fester Stimme: „Ja, ich will!“
Und so ging auch Raigos letzter Wunsch in Erfüllung: An seiner Seite erhob sich Coriane, die neue K ö nigin von Ruwarad!
Erneut brandete Jubel auf, und draußen in der Stadt sangen die Menschen auf den Straßen, denn mit dem neuen Herrscherpaar war der Frieden nach Ruwarad zurüc k gekehrt, und die Zeit der Angst und der Ungewißheit war vorbei.
Am Abend, vor dem festlichen Bankett, leisteten die Fürsten von Ruwarad ihrem neuen K ö nig den Lehnseid. Als aber alle den Eid gesprochen hatten, traten die M o radin vor.
„Höre uns, König Raigo!“ sagte Werigan. „Heute wollen auch wir den Eid bekräftigen und vor aller Ohren wiederholen, den wir dir an jenem Tag leisteten, an dem du Anspruch auf die Krone erhobst. Gilian und Storn haben für uns alle bei Vangor Dispens erwirkt, aus seinen Diensten ausscheiden zu dürfen. So sind wir frei, denn nun sind wir nicht länger Vangoran Moradin. Somit bitten wir dich, uns in deine Dienste zu nehmen. Wir schwören, dir treu zu sein und dich und dein Volk mit u n serem Leben vor jeder Not und Gefahr zu schützen. - So spreche ich, Camar, Prinz von Urund, den man Werigan, den Moradin nannte.“ Und er beu g te vor Raigo das Knie.
Da trat einer nach dem anderen vor, beugte das Knie und sprach:
„Und so spreche ich, Vargan, Sohn des Fürsten von Thalor, der ich bis heute Namur war!“
„Und so spreche ich, Nebion, Bruder des Vargan, Sohn des Fürsten von Thalor, den man Storn nan n te!“
„Und so spreche ich, Gilian, von dem niemand wußte, daß er Prinz von Ubiranien und Vangors Neffe ist.“
„Und so spreche ich, Darias, jüngster Sohn von Tidis, des Königs von Valarien, Fi n dir der Spaßvogel!“
Als sie alle in einer Reihe vor Raigo knieten, fragte Camar: „König Raigo, nimmst du uns e ren Schwur und unsere Dienst an?“
Raigo erhob sich und eilte auf die Freunde zu. Voller Freude reichte er ihnen die Hände en t gegen.
„Und so höre ich, Raigo, Sohn des Berigo, König von Ruwarad!“ sagte er ergriffen. „Und nie wurde ein Lehnseid mit größerer Freude entgegengenommen, obwohl ich denke, daß es eines solchen Eides zwischen uns nie bedurfte. Daher sollt ihr auch immer zuerst die Freu n de von Raigo sein und erst dann die Lehnsleute des Königs von Ruwarad.“ Dann hob er die Hände und rief: „Groß ist Mynthar, der Herr der Gö t ter! Hart prüft er die, welche ihm dienen, doch reich belohnt er ihre Treue! Über alles Maß, Herr, hast du mir den Dienst gelohnt, den ich dir nur durch deine Gnade erweisen konnte!“
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Wenige Tage später standen ein Mann und eine Frau im Sonnenlicht auf der Kuppe eines Hügels. Goldene Reflexe tanzten auf den kastanienfarbenen Locken der Frau, die im wa r men Südwind wehten. Zärtlich hielten sich die
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