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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Vorstellung, ihn zu…«
    »Zu vergiften?«
    »Ja. Zu ermorden.«
    »Über so etwas ist niemand glücklich, Charles. Die Frage war  nur, was schlimmer war: die Tat oder die Folgen der Unterlassung. Gut, das Schicksal hat entschieden, und es ist nicht soweit  gekommen. Es tut mir nur leid, daß ich dich mit dem Wissen  belastet habe.«
    »Überhaupt nicht«, protestierte der Bibliothekar. »Ich  wünschte nur, du hättest mir mehr gesagt.«
    Der Rektor schwieg, dann sagte er: »Ja, vielleicht hätte ich das  tun sollen. Das Alethiometer warnt vor schrecklichen Folgen,  wenn Lord Asriel seine Suche fortsetzt. Außerdem wird das  Mädchen in die ganze Sache hineingezogen werden, und ich  möchte sie so lange wie möglich vor Gefahren schützen.« 
    »Hat Lord Asriels Unternehmen etwas mit der neuen Initiative des Geistlichen Disziplinargerichts zu tun? Mit der — wie  heißt sie doch gleich — der Oblations-Behörde?«
    »Lord Asriel — nein, gar nicht. Ganz im Gegenteil. Die Oblations-Behörde ist übrigens auch nicht ausschließlich dem Geistlichen Disziplinargericht unterstellt. Sie ist eine halbprivate Initiative unter Leitung einer Person, die keinerlei Sympa thien für Lord Asriel hegt. Ich fürchte beide, Charles.« 
    Der Bibliothekar blieb stumm. Seit Papst Johannes Calvin  den Sitz des Papsttums nach Genf verlegt und das Geistliche  Disziplinargericht eingerichtet hatte, hatte die Kirche absolute  Macht über sämtliche Bereiche des Lebens erlangt. Das  Papsttum selbst war nach Calvins Tod abgeschafft worden, und  an seine Stelle war ein undurchsichtiges System von Gerichten,  Kollegien und Räten getreten, das zusammenfassend Magisterium genannt wurde. Diese Behörden arbeiteten nicht immer  friedlich zusammen, manchmal waren sie bittere Rivalen. Am  mächtigsten war den größten Teil des vergangenen Jahrhunderts das Bischofskollegium gewesen, doch hatte in jüngeren  Jahren das Geistliche Disziplinargericht seinen Platz als aktivstes und gefürchtetstes kirchliches Organ eingenommen. 
    Allerdings konnte es jederzeit geschehen, daß unter dem  Schutz einer anderen Abteilung des Magisteriums eine unabhängige Behörde entstand, und eine solche war die Oblations Behörde, von der der Bibliothekar gesprochen hatte. Er wußte  nicht viel von ihr, aber was er gehört hatte, mißfiel ihm und  machte ihm angst, deshalb hatte er volles Verständnis für die  Besorgnis des Rektors.
    »Der Palmer-Professor erwähnte zwei Namen«, sagte er nach  einer Weile. »Barnard und Stokes. Worum geht es dabei?« 
    »Ach das — das geht uns nichts an, Charles. Die Heilige Kirche lehrt, soweit ich es verstehe, daß es zwei Welten gibt: die  Welt der Dinge, die wir sehen, hören und anfassen können, und  eine zweite Welt, die geistige Welt des Himmels und der Hölle.  Barnard und Stokes waren — wie soll ich sagen — abtrünnige  Theologen, die an die Existenz zahlreicher anderer Welten glaubten, Welten wie unsere, die weder Himmel noch Hölle sind, sondern materiell und sündig. Diese Welten existieren angeblich neben und um uns, sie sind aber unsichtbar und unerreichbar. Die Heilige Kirche verurteilte das natürlich als Ketzerei und brachte die beiden zum Schweigen. Zum Unglück für das Magisterium scheint es tatsächlich handfeste mathematische Beweise für diese Theorie anderer Welten zu geben. Ich habe das nicht genauer verfolgt, aber der Cassington-Stipendiat  hat es mir gesagt.«
    »Und jetzt hat Lord Asriel ein Bild einer solchen anderen  Welt aufgenommen«, sagte der Bibliothekar. »Und wir haben  ihm Geld gegeben, damit er sie findet. Ich verstehe.«
    »Genau so ist es. Die Oblations-Behörde und ihre mächtigen  Beschützer werden glauben, Jordan College sei eine Brutstätte  der Ketzerei. Und ich muß zwischen Disziplinargericht und  Oblations-Behörde vermitteln, Charles. Inzwischen wächst das  Mädchen heran; man wird sie nicht vergessen haben. Früher  oder später wäre sie natürlich sowieso in die Sache hineingezogen worden, aber jetzt  wird sie es, ohne daß ich sie schützen  kann.«
    »Aber woher weißt du das, um Gottes willen? Wieder durch  das Alethiometer?«
    »Ja. Lyra wird bei alldem eine Rolle spielen, und zwar eine  entscheidende. Die Ironie ist nur, daß sie diese Rolle spielen  muß, ohne daß sie weiß, was sie tut. Natürlich kann man versuchen ihr zu helfen, und wenn mein Plan mit dem Tokaier aufgegangen wäre, wäre sie noch ein wenig länger

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