Der Gott von Tarot
seiner Begegnung mit dem außerirdischen Geist noch sonderbarer zu sein:
Er blieb stehen. „Arkan Drei!“ rief er. Die Frau auf dem Thron im Weizenfeld – diese Karte bezeichnete das dritte Große Arkan im Tarotspiel mit Namen ‚Herrscherin’.
Dies war der Planet Tarot, wo Karten lebendig wurden. Aber so rasch hatte er das nicht erwartet – und nicht so wörtlich!
War dies eine weitere geisterhafte Manifestation? Spielte sich alles nur in seinem Kopf ab? Wenn dies der Fall war, dann mußte er seinen Urteilen über diese Reise mißtrauen. Was würde der Aufzeichner verraten? Er hätte ihn sich gern angesehen, hatte aber natürlich keinen Projektor und begriff die Wirkungsweise des Armbands ohnehin nicht. Nichtsdestoweniger war ihm die Frau real und trotz (oder wegen?) ihrer Furchtsamkeit höchst attraktiv erschienen.
Ein Planet, wo Tarotbilder zum Leben erwachten, Bruder Paul blieb stehen und dachte darüber nach, angeregt durch den plötzlichen Beweis für diese Behauptung. Er hatte als Teil seiner Pflichten für den Orden Tannenholz gesägt, und manchmal waren seine Gedanken während der schweren Arbeit abgeschweift, und er hatte eine Parallele zwischen dem Holz und dem Tarot herbeibeschworen. Das Holz war außen weich und weiß, leicht zu sägen und zu verarbeiten, leicht zu verbrennen, aber ohne allzuviel Substanz. Das Herz der Fichte hingegen war steinhart und dicht, gesättigt mit organgefarbenem Saft. Es überdauerte Dekaden ohne Zerfall, und die Termiten, deren Lieblingsholz weiche Tanne war, wagten sich nicht an die Herzstücke. Es brannte so gut, daß es Metallgitter und Ziegelkamine zerstörte. Die Königin der Kaminhölzer. Das Tarot erschien ihm ähnlich: es war oberflächlich gesehen interessant; leicht waren die Bilder von Amateuren zu interpretieren. Doch wenn man sich tief genug hineinversenkte, stieß man auf das Herz des Tarot – und das war tief, dicht und schwierig und zwang die Gedanken durch die vierte und fünfte Dimension von Denken und Zeit. Nur wenige Menschen konnten damit umgehen, doch jene, die hartnäckig dabeiblieben, erhielten große und dauerhafte Belohnung dafür. Bruder Paul sah sich selber am Rand zwischen weißem Holz und dem orangefarbenen Herzstück, ein Novize, der vor dem Portal der wahren Bedeutung zittert und kaum weiß, was für Entdeckungen vor ihm liegen. Würde er hier, auf dem Planeten Tarot, weiterkommen?
Nun, der Thron der Herrscherin blieb stehen. Das konnte er rasch überprüfen. Er ging darauf zu und blickte sich dabei um. Es war eine wunderschöne Gegend mit einem augenscheinlichen Vulkan direkt hinter dem Feld und daneben einer Kette aus buntem Felsgestein. Die Luft war warm und die Schwerkraft ähnlich wie auf der Erde, so daß er sich wohlfühlte. Niemals hätte er diesen Ort für einen von Geistern heimgesuchten Planeten gehalten!
Doch darüber gab es keinen Zweifel. Das war der echte Herrscherinnenthron aus dem Tarot. Oder etwas sehr Ähnliches. Er bestand aus dichtem, poliertem Holz und nicht aus Stein; Paul machte sich klar, daß es hier vielleicht nicht den passenden Stein gab. Auf einer Seite war das sechseckige Schild mit dem zweiköpfigen Adler eingeschnitzt. Ein solches Symbol konnte man wohl kaum für Zufall halten, doch er war sich auch nicht völlig sicher, ob es nicht doch einer war. Immer noch Zweifel also. Aber den gab es immer.
Mächtige Holzsäulen stützten einen Baldachin, der den Thron beschattete. Eine notwendige Einrichtung, denn selbst die schönste Herrscherin würde vergehen, wenn sie den ganzen Tag unter dieser Sonne sitzen müßte. Aber …
Ein entsetzenerregendes Knurren ließ ihn zusammenzucken. Er sprang in Richtung des Lautes
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