Der Gott von Tarot
auf und sah ein riesiges katzenartiges Wesen auf sich zuschleichen. Das Wesen schien fünf Beine zu haben. Vielleicht war der Schwanz umgebildet.
Von der Frau zum Tiger! Bruder Paul duckte sich hinter den Thron. Das Wesen schlich hinter ihm her. Katzenartig, aber keine Katze; die Beinbewegungen waren auf merkwürdige, aber eindrucksvolle Weise fremdartig. Nicht, weil die Beine sich an den Gelenken nach hinten bogen; die Beugung schien irgendwie anders zu sein …
Keine Zeit, das jetzt genau zu studieren! Das Ding mußte an die hundertfünfzig Kilogramm wiegen – doppelt soviel wie Bruder Paul –, und über seine Absicht gab es keinen Zweifel. Es betrachtete ihn entweder als Feind oder als Beutetier.
Es hätte schon geholfen, wenn man ihn vorher über diese Einzelheiten der Ökologie dieses Planeten informiert hätte. Aber vielleicht hatte man es nicht gewußt. Er hätte in der Kapsel bleiben sollen, bis jemand von den Kolonisten gekommen wäre; diese Schwierigkeit hatte er sich nun selber zuzuschreiben.
Bruder Paul duckte sich wieder hinter den Thron, doch das Tigerwesen hatte es vorausgesehen. Es sprang auf der anderen Seite herum, wobei es sich mit gespenstischer Leichtigkeit herumdrehte, und stand unvermittelt mit ausgestreckten Vorderbeinen vor ihm.
Bruder Paul erlebte einen jener Geistesblitze, die einige Menschen vor dem Tod erleben. Die Extremitäten der Kreatur waren weder Klauen noch Hufe, sondern ähnelten ledernen Handschuhen oder Fäustlingen. Sie waren geteilt, wobei sich der größere Teil wie eine halbgeschlossene Hand zu einem Halbkreis bog, wobei allerdings die Finger fehlten. Der kleinere Teil war wie ein entgegengesetzter Daumen. Die Geschicklichkeit dieser ‚Hand’ kam der menschlichen in keiner Weise nahe, und die schwieligen Stellen an den Außenrändern deuteten darauf hin, daß sie eher zum Laufen als anderen Funktionen diente. Doch ein Huf oder eine Tatze wäre zum Laufen besser geeignet gewesen. Was war das für ein verzerrtes Wesen?
Der Tiger sprang auf ihn zu, die sonderbaren Füße ausgestreckt, als wolle er mit ihm boxen, wobei allerdings nicht Bruder Pauls Rumpf das Angriffsziel bildete. Bruder Paul sprang hoch und zur Seite, so daß das Wesen ihn verfehlte. Die Vorderbeine des Tieres zuckten zurück, während die keulenartigen Hinterbeine nach vorn schossen. Es landete auf den Hinterbeinen und kippte nach hinten über.
Wäre Bruder Paul an der gleichen Stelle stehengeblieben, hätten sich diese Vorderpfoten um seine Knöchel gehakt, während ihn die Hinterbeine mit solcher Gewalt getroffen hätten, daß seine Beine gebrochen wären. Derart verletzt wäre er eine leichte Beute gewesen. Das war keine auf der Erde bekannte Angriffsart, doch gewiß ebenso brutal und wirksam wie Zähne oder Reißzähne oder Klauen.
Der Tiger wirbelte herum und nahm die ursprüngliche Stellung wieder ein, wobei er den vielseitigen Schwanz zu Hilfe nahm, und sprang erneut nach vorn. Dieses Mal setzte er höher an, denn er schien mit entmutigender Schnelligkeit zu lernen. Doch Bruder Paul blieb stehen. Er wirbelte herum, um aus seiner Reichweite zu gelangen, fiel gleichzeitig auf die Knie und umfing mit der rechten Armbeuge die linke Vorderpfote. Dann rollte er sich nach vorn und zerrte an dem Bein. Das war ippon seoi nage, der einarmige Schulterwurf – der erste Judogriff, den er bei einem Tier ausprobierte, ob es nun terrestrisch oder außerirdisch war. Und immerhin mit Erfolg!
Die Hinterbeine des Tigers schossen mit dem knochenbrechenden Reflex nach vorn. Sie schoben sich schmerzhaft über Bruder Pauls Rücken und rechte Schulter, und einer streifte seinen Kopf.
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