Der Gott von Tarot
Diese Hinterbeine waren wie Schmiedehämmer; Paul sah Sterne, als der Schlag auf das Sehzentrum seines Hirns auftraf.
Er hatte den falschen Griff angewendet. Da sich der Tiger normalerweise der Gliedmaßen seiner Beute bemächtigte und sie brach, hatte Paul sich nun lediglich bereitgesetzt, um den Hieb des umklammerten Tieres zu empfangen. Einen Menschen hätte es über Bruder Pauls Rücken geschleudert, doch das Drehmoment und Gleichgewicht des Tigers waren anders. Er hatte Glück, daß er nicht niedergeschlagen worden war, doch wenn er einen weiteren Fehler beging, würde dieses Glück nicht andauern.
Doch er hielt das Vorderbein fest, schleuderte sich darüber und versuchte weiterzurollen. Dieses Mal rollte das Wesen mit ihm, denn die Wucht des Falls war nun aufgefangen, und es war ihm nicht gelungen, wieder auf die Füße zu kommen. Es flog auf den Rücken, und Bruder Paul wollte einen Haltegriff anwenden – doch dann würde er der Gnade der wuchtigen Hinterbeine ausgeliefert sein.
Statt dessen drehte er sich rasch herum und griff nach dem nächstliegenden Hinterbein. Dann beugte er sich zurück, streckte beide Beine aus und umklammerte mit den Knien dieses Glied. Das war eine Beinsperre, die im Judo nicht zulässig gewesen wäre, doch was bedeuteten schon menschliche Regeln in einem Kampf auf Leben und Tod mit einem außerirdischen Wesen? Das war nicht ganz die Situation, die er sich ausgemalt hatte, als er in den Orden eintrat! Bruder Paul bog den Rücken durch, schob die Hüften nach vorn und zerrte an dem umklammerten Hinterbein, indem er seinen Druck auf das Gelenk verlagerte. Er hatte keine Ahnung, ob diese Technik bei einem solchen Wesen funktionieren würde, vermeinte jedoch, es sei einen Versuch wert. Ein Mensch hätte dabei vor Schmerz geschrien …
Der Tiger schrie vor Schmerz. Durch diesen unerwarteten Erfolg verdutzt, ließ Bruder Paul ihn los, wie er es bei einem menschlichen Gegner getan hätte, der ihm bedeutete, er gäbe sich geschlagen. Zu spät fiel ihm ein, daß er es nicht mit einem menschlichen Gegner zu tun hatte, sondern mit einem Wesen, daß ihm die Knochen zerbrechen wollte. Jetzt war er an der Reihe!
Doch der Tiger hatte genug. Er rollte sich auf die Beine, brachte sich mit Hilfe des Schwanzes ins Gleichgewicht und sprang ebenso rasch, wie er gekommen war, von dannen. Bruder Paul stand auf und beobachtete erleichtert, wie er durch das wogende Weizenmeer sprang. Er hatte ihn nicht verletzen wollen, doch gedacht, er habe keine andere Wahl. Er selber hatte Abschürfungen, war zerzaust und ein wenig schwindlig, doch ansonsten intakt. Es hätte schlimmer ausgehen können, viel schlimmer!
Eine Bewegung fiel ihm ins Auge. Es näherten sich Menschen, etwa ein halbes Dutzend Männer. Sie waren bewaffnet, trugen lange Speere – nein, es waren Dreizacke, elegant geformten Mistgabeln vergleichbar, exzellent dazu geeignet, ein Tier abzustechen, während man es in sicherer Distanz hielt. Auch gegenüber Menschen sehr effektiv.
Paul erwartete mit leichter Nervosität die Ankunft der Gruppe. Auch dies war nicht ganz das, was er eigentlich erwartet hatte.
Als die Männer näher kamen, erkannte er jedoch, daß sie eher vorsichtig als aggressiv wirkten. Sie sahen sich um und hielten die Waffen bereit, als hätten sie Angst, es spränge etwas Gefährliches herbei.
„Hallo“, rief Bruder Paul. „Ich komme von der Erde mit einem Sonderauftrag.“
Die Männer blickten sich bedeutsam an. „Was ist dein Glaube?“ fragte einer.
„Ich bin Bruder Paul vom Heiligen Orden der Vision. Ich bin nicht gekommen, um bei euch zu bleiben. Ich soll …“ Aber da brach er ab, weil er sich über ihre Reaktion nicht im klaren war.
Wieder tauschten
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