Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
Hülle, wertlos und unwichtig, von keinerlei Relevanz mehr.
    Rudynar Pole packte ihn, umschlang ihn mit beiden Armen und drückte zu. Der Gottbettler versuchte sich zu befreien, schaffte es jedoch nicht und gab dann auf. Sein Blick wurde teilnahmslos, während das Gesicht rot anlief.
    Rudynar Pole zerquetschte ihn, langsam und mit erschreckender Hingabe. Es dauerte lange. Die Zeit blieb stehen, während der ehemalige Linke seine Arbeit tat.
    Stunden vergingen. Sie standen bloß da, eingefroren und verloren, während der Kampf eines Titans gegen einen Gott andauerte. Der neue Morgen brach an, und noch immer umarmten sie einander. Der Gottbettler sagte mit ruhiger Stimme, dass er unsterblich wäre und es Rudynar Pole niemals möglich sein würde, ihm das Leben zu nehmen. Gegen Mittag wollte er verhandeln, am Abend verlegte er sich aufs Betteln, und als in der totenstillen Stadt hier und dort ein Lichterschein entflammte, begann er zu schreien. Es war ein lang gezogener, ein schriller Ton, wie der eines Eunuchen, und er wollte kein Ende nehmen. Der Laut kroch in Pirmens Kopf, nistete sich dort ein und würde bis ans Ende seiner Tage dort drinnen verankert bleiben. Der Todesschrei des Gottbettlers machte, dass Soldaten tot umfielen. Ein Schatten legte sich über die Stadt, Wolken zogen sich bedrohlich zusammen und türmten sich zu einem schwarzen Gebirge auf, aus dem Blitze zuckten. Der Boden bebte, der Fluss schwoll an. Naturgewalten wurden von Menschengewalten ergänzt, das Weltgefüge geriet aus dem Gleichgewicht. Der so armselig wirkende Mann setzte Kräfte frei, für die es keinen Namen, keine Begriffe gab.
    Der Untote, Rudynar Pole, behielt die Ruhe. Er scherte sich nicht um das brüllende Etwas in seinen Armen, das alles rings um sich in den Abgrund der Vernichtung ziehen wollte. Er tat, wofür er gekommen war. Er tötete seinen Gegner.
    Pirmen war völlig erschöpft. Nur noch Tercas Gegenwart und vor allem die des Stummen Jungen hielten ihn am Leben, während rings um ihn der Große Gleichmacher reiche Ernte hielt. Viele der Soldaten fielen den vom Gottbettler entfesselten Kräften zum Opfer. Manche wurden hinfortgerissen, manche wurden bloß von ihrem Geist verlassen, während die Körper zurückblieben. Lallende Menschen, Malekuften oder Zwerge torkelten umher. Ein Vertreter des Kleinen Volks wurde vom Blitz getroffen, ein anderer ertrank in einer Pfütze, in der er aus unerfindlichem Grund mit dem Gesicht nach unten liegen blieb.
    Kann nicht mehr, dachte Pirmen. Will nicht mehr.
    Wo waren seine Ikonen? Warum halfen sie ihm nicht, in diesen Stunden der Not? Wo waren Palias Aquerta und die anderen Berater geblieben?
    Er sah den Schatten jenes Wesens, das ihn schon einmal besucht hatte und dem er nur dank der Hilfe der Hexe entkommen war. Er winkte, lockte, wollte ihm den Weg weisen.
    Der Stumme Junge drückte seinen Arm, und Pirmen spürte Erleichterung. Er war mit einem Mal unberührbar. Er schwebte in einem Land, in einer Weite, die keine Grenzen kannte und in der das Leben mit all seinen Schwernissen keinen Platz hatte.
    War es das, was der Stumme Junge und der Gottbettler zeit ihres Lebens sahen, was sie spürten, diese Friedfertigkeit, die alle Dinge ringsum erfasst hatte? Keine Rose stach, kein Hund biss, kein Insekt summte nervös umher. Die Menschen standen starr wie Statuen und taten nichts. Sie waren all ihrer Fertigkeiten beraubt …
    Pirmen wehrte die Hand des Jungen ab. Es war zu viel. Es war unerträglich! Da erschien ihm das Inferno des Gottbettlers noch weitaus verständlicher, und wenn es denn sein sollte, dann würde er auch einen gewaltsamen Tod hinnehmen.
    Der Schrei des Gottbettlers verebbte, und im gleichen Maß, wie das Kreischen nachließ, wurde auch das Wesen dünner. Schwächer. Weniger.
    Schließlich umarmte Rudynar Pole nur noch Luft. Doch er verharrte in seiner absurden Pose, für weitere Stunden, so lange, bis die Nacht ein weiteres Mal hereinbrach, sich das Wetter endlich beruhigte und ein paar Vögel fröhlich in die entstandene Stille zwitscherten, als wollten sie eine neu entstandene Welt begrüßen.
    Der Untote löste sich aus seiner Starre. Drehte sich im Kreis. Begutachtete, was er angerichtet hatte, verzog dabei aber keine Miene.
    Er kam mit schweren Schritten auf Terca, den Stummen Jungen und Pirmen zu, wobei er über den Leichnam von Metcairn Nife hinwegstieg, den er nicht weiter beachtete.
    Er musterte sie. Da war eine ganz besondere Art von Leben in seinen Augen.
    »Das

Weitere Kostenlose Bücher