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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Augen und nickt langsam. »Verstehe.«
    Beunruhigt warte ich ab, wie er auf unseren Fluchtversuch reagieren wird.
    »Karim?«
    »Ja, Sidi?«
    »Lauf zu den Pferdeställen.« Arslan deutet durch das Portal in den Vorhof der Zitadelle. »Sag dem Stallmeister, Prinz Arslan benötigt drei gesattelte Pferde. Sofort. Y’allah – lauf!«
    »Wie du befiehlst, Sidi.« Karim stiebt grinsend davon.
    »Shukran«, flüstere ich gerührt.
    Er winkt ab. »Mein Treueschwur gilt Yared, zumindest bis der Sultan mich zum Emir ernennt. Ich denke, ich handele in seinem Sinn, wenn ich euch beide in Sicherheit bringe.«
    »Du hast dich also entschieden, nach Assuan zu gehen.«
    »Yared hat mir dazu geraten. Er sagte, ich solle das tun, was ich von ganzem Herzen tun will. Sultan Bedlay will heute Aksum erobern und die Kathedrale Maryam Tseyon zerstören. Wenn er scheitert, wird Zara Yakobs Rache fürchterlich sein. Ich will einen Kreuzzug gegen Ägypten verhindern.«

    Sobald Karim mit den Pferden zurückgekehrt ist, helfen Arslan und ich Tayeb in den Sattel. Er ist so schwach, dass er Mühe hat, den Fuß in den Steigbügel zu schieben. Arslan lehnt sich von hinten gegen ihn und hebt ihn in den Sattel. Als ich sehe, wie sehr sich Tayeb gegenüber Arslan und den Kindern schämt, ziehe ich das blaue Tuch von meinen Schultern und reiche es ihm hinauf, damit er sich einen Turban wickeln und nach Art der Tuareg verschleiern kann.
    Dann steige ich auf und folge Arslan und Tayeb und den Kindern, die zwischen den trabenden Pferden hin und her springen, den Sandweg hinunter zur Davidstraße.
    »Wohin soll ich euch bringen?«, fragt Arslan.
    Ich deute nach Norden in die Gassen des Muristan.
    Wir schieben uns den Pilgern entgegen, biegen in den Durchgang ein, den Ghiorghi und ich vor zwei Stunden auf der Suche nach dem Dominikanermönch entlanggerannt sind, und folgen dem Weg am Hospital der Johanniter vorbei zur Al-Omariya-Moschee.
    Vor den Stufen, auf denen vorhin Aviram auf Ghiorghi und mich gewartet hat und die nun von den Sandalen der muslimischen Gläubigen übersät sind, springt Arslan vom Pferd und hilft Tayeb aus dem Sattel. Während er meinen Freund über den Vorhof zum Portal der Grabeskirche führt, bitte ich die Kinder, auf die Pferde aufzupassen. Dann schultere ich die schwere Tasche und folge ihnen in die Basilika, um bei Gebre Christos im äthiopischen Kloster Asyl zu suchen …

    … und um gemeinsam mit Tayeb mithilfe des Amuletts von Aviram die verborgene Botschaft der Templer in der Baruch-Apokalypse zu entschlüsseln. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Um Mitternacht wird Elija sterben.

· Yared ·
Kapitel 50
    Vor dem Davidsgrab auf dem Berg Zion
    Fasika, 2. Miyazya 6945
    18. Dhu’l Hijja 848, 21. Nisan 5205
    Ostersonntag, 28. März 1445
    Gegen vier Uhr nachmittags

    Mit leuchtenden Augen lenkt Arslan sein Pferd neben meines und zupft mich am Ärmel.
    »Sieh dir das an, Yared!«, ruft er begeistert und deutet auf das antike byzantinische Kloster Hagia Sion, das von den Kreuzfahrern neu errichtet wurde, mit der gewaltigen fünfschiffigen Kathedrale. Unter den hohen Palmen des Gartens ist seit Karfreitag ein Dorf aus bunten Zelten errichtet worden. Prinz Solomon hat den Konvent in eine Palastresidenz auf dem Berg Zion verwandelt, nur wenige Schritte entfernt vom Grabmal König Davids, des Ahnherrn der salomonischen Dynastie. Und vom Coenaculum im kuppelgekrönten Obergemach des Davidsgrabes, wo Jesus seinen Jüngern die Füße wusch und das letzte Abendmahl hielt. Beide Heiligtümer gehören nun zum benachbarten Kloster der Franziskaner.
    Sanft wiegt der heiße Khamsin die Blätter der Feigenbäume, in deren Schatten sich Solomons Gefolge zu meinem Empfang aufgereiht hat. In einem Schreittanz nähert sich uns eine Prozession von Priestern und Diakonen in farbenfrohen Gewändern und Mönchen in weißen Überwürfen, um uns mit sonorem Gesang, Trommelschlag und Sistrenklang zu empfangen.
    Ich zügele mein Pferd und warte ab, bis sich die Menge teilt wie das Meer vor Moses. Zwischen den dichten Weihrauchschwaden, den mit Kreuzen bestickten Brokatschirmen, die im gleißenden Sonnenlicht funkeln, und den Prozessionskreuzen aus silbernen Ornamenten hindurch reite ich zu Solomon hinüber. Der Neffe des Neguse Negest hält einen Olivenzweig in der Hand und erwartet mich inmitten seines Gefolges am Portal des Konvents. Zumindest glaube ich, dass er es ist, denn über seinem schwarzen Samtgewand, das ein Vorrecht des Adels ist, trägt er

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