Der Grabritter (German Edition)
lang und lauschte. Nichts war mehr zu hören. Langsam öffnete Herzog die Tür und sah Marquarts massigen Körper, der über Christas Schreibtisch zu ihr herüber gebeugt war. Als er Herzog bemerkte, richtete sich Marquart sofort wieder auf. Wie ertappt wandte er sich um. An ihm vorbei konnte Herzog Christas leichenblasses Gesicht sehen. Sie wirkte zu Tode erschrocken. »Was ist hier los?« Abwechselnd sah der Kriminalrat die beiden an. Christa schluckte ein paar Mal schwer. »Tut mir leid, wenn wir Sie gestört haben, aber Kriminalrat Marquart hatte ein paar Unterlagen angefordert, die ich noch nicht fertig habe. Ich kümmere mich gleich darum.« Um Herzogs forschendem Blick zu entgehen, begann sie in ihrer Ablage zu kramen. Marquart setzte ein hässliches Grinsen auf. »Sorry, Herr Kollege, aber ich kann ja nicht ewig auf die Sachen warten. Schließlich muss ich in meiner Abteilung auch weiter kommen. Und wenn bei mir einer nicht richtig spurt dann mache ich ihm Beine. Das wirkt manchmal Wunder.« Herzogs Körperhaltung spannte sich, und in seinen Augen konnte man den Zorn erkennen der in ihm aufstieg. »Herr Dr. Marquart, Sie können Ihre Abteilung so führen, wie es Ihnen richtig erscheint. Sollten Sie jedoch noch ein einziges Mal meine Sekretärin in Verlegenheit bringen, dann glauben Sie mir … wird Ihnen das leidtun. Und jetzt würde ich Ihnen raten, schnellstens zu verschwinden.« Marquarts Kinnlade fiel herab. Was glaubte dieser Herzog, wer er war. So redete niemand ungestraft mit ihm.
Wortlos erwidert e er Herzogs Blick. Seine Augen zuckten heimtückisch hinter den dicken Brillengläsern. Einen offenen Disput konnte er sich im Moment noch nicht leisten. Zu viele Freunde hatte Herzog hier im BKA. Aber es würde sich schon noch eine Gelegenheit finden, diesen Wichtigtuer aus dem Verkehr zu ziehen. Herzog würde es noch bereuen, sich mit ihm angelegt zu haben. Marquart ließ die für ihn als unglaubliche Demütigung empfundenen Worte Herzogs zunächst verrauchen. Unter Qualen rang er sich zu einem entschuldigenden Lächeln durch. »Nichts für Ungut, mein Lieber, aber ich habe im Moment wirklich viel um die Ohren. Da verliert man schon mal die Beherrschung.« Marquart wandte sich zu Christa um. » T ut mir leid , Christa . Es war nicht so gemeint. Wenn Sie die Sachen soweit haben, geben Sie mir doch bitte Bescheid.« Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, stampfte Marquart hinaus.
Herzog blieb in der Tür zu seinem Büro stehen. »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Christa lächelte gezwungen. »Ja, Herr Kriminalrat, alles in Ordnung. War wirklich mein Fehler. Bitte entschuldigen Sie, kommt nicht mehr vor.« Herzog drehte sich um und ging zurück an seinen Schreibtisch. Nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen. Als er durch die offene Tür noch einmal einen Blick auf Christa warf, war diese scheinbar wieder in ihre Arbeit vertieft. Er rückte seinen Sessel zurecht und widmete sich wieder seinen Unterlagen.
Marquart kam in sein Büro und warf die Tür mit einem Knall hinter sich zu. Er ging hinüber zum Schreibtisch und schlug mit der Faust darauf. »Herzog, du alter überheblicher Scheißkerl. Das wirst du mir büßen.« Dann ließ er sich in seinen Sessel fallen . P lötzlich fing er an hämisch zu grinsen. Was für eine glückliche Vorsehung . Er beugte sich nach vorne und zog eine der Schreibtischschubladen auf. Eine Mappe , die ganz unten, unter einem Stapel lag, zog er heraus und blätterte darin herum. Ein kleiner Dealer war hopps genommen worden. Im Bonner Loch, einem Platz in der Nähe des Hauptbahnhofs, an dem sich immer wieder Drogenabhängige und ihre Lieferanten trafen. Es war kein allzu großer Fisch, den sie da geschnappt hatten. Viel interessanter war, mit wem er gerade einen kleinen Deal hatte machen wollen. Marquart lehnte sich mit dem Bericht in seiner Hand genüsslich zurück. »Joachim Berendt«, murmelte er leise vor sich hin. »Joachim Berendt, der Sohn von Christa Berendt, der Sekretärin von Herzog.«
Endlich hatte er einen von Herzogs Mustertruppe bei den Hammelbeinen. Man hatte Christas Sohn bei der Festnahme eine nicht unerhebliche Menge Ecstasy abgenommen. In jedem Fall weit über der Menge, die man dem Eigenbedarf zuschreiben konnte. Der Junge war fast mit seinem Studium fertig und Christa hatte einmal erwähnt, dass er zur Polizei wollte. Mit einer Vorstrafe wäre sein Traum zu Ende, bevor er überhaupt begonnen hatte. Marquart hatte den Bericht, nachdem er ihn das
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